Notfallset für Fledermäuse – Artenschutz in Recklinghausen

Zusammenarbeit von Stadt und Kreis für die geschützten Tiere

Agieren statt reagieren – die Kommunalen Servicebetriebe Recklinghausen (KSR) sind mit einem Notfallset ausgerüstet, für den Fall, dass Fledermäuse bei Baumfällungen verletzt werden. Fledermäuse stehen unter Artenschutz. Daher wird jeder Baum, der gefällt werden muss, sorgfältig auch auf Fledermäuse und deren Unterschlupfmöglichkeiten hin kontrolliert.

Bislang sind Fledermäuse in ihren kleinen Baumhöhlen noch nie übersehen worden. Vollkommen ausgeschlossen ist dies aber nicht. Sollte dieser Fall eintreten und die Fledermaus bei der Baumfällung verletzt werden, können die KSR dem Tier umgehend mit dem Notfallset helfen.

Recklinghausen ist die erste Stadt im Kreis, die dieses Projekt verfolgt. Entstanden ist dieses Projekt in Zusammenarbeit mit dem Kreis Recklinghausen, dem Regionalforstamt Wald und Holz sowie Tierschutzexperten. „Die Idee ist wirklich klasse, das ist vorbildlich! Obwohl es so einfach ist, habe ich noch nirgends sonst davon gehört„, sagt Alfons Pennekamp von der AG Fledermaus.

Artenschutz ist wichtiger denn je, denn das Artensterben nimmt bundesweit und insbesondere in Nordrhein-Westfalen weiter zu“, sagt Carsten Uhlenbrock vom Kreis Recklinghausen, Fachdienst Umwelt. „Der Erhalt der biologischen Vielfalt gehört zu den größten Herausforderungen des Naturschutzes.“ Ein wesentliches Ziel der Naturschutzpolitik des Landes NRW besteht darin, eine Trendwende im Rückgang der biologischen Vielfalt herbeizuführen. „Angesichts von über 43.000 Pflanzen-, Pilz- und Tierarten in NRW steht der Erhalt der Artenvielfalt im Zentrum der Schutzbemühungen. Bei einem Unwetter wie Ela gehen viele Altbaumbestände und damit wichtige Lebensräume verloren. Darum ist gerade für die Arbeiten, die momentan durchgeführt werden, ein solches Notfallset eine gute Sache“, erläutert Uhlenbrock.

Von den insgesamt etwa 12.000 für die „Rote Liste NRW“ betrachteten Arten sind folgende gefährdet oder bereits ausgestorben: 40 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen, 45 Prozent der Säugetierarten, zu denen auch die als gefährdet geltenden Fledermäuse gehören, über 50 Prozent der Vogelarten und 55 Prozent der Schmetterlingsarten.

Der Schutz der Lebensräume und Arten erfordert neben rechtlichen und vertraglichen Sicherungen weitere art- und lebensraumspezifische Handlungsstrategien. Zur Erhaltung der gefährdeten Arten formuliert das Artenschutzprogramm NRW, Paragraph 63 des Landschaftsgesetzes NRW, geeignete Schutz-, Pflege- und Entwicklungsziele sowie erforderliche Schutzmaßnahmen. Der besondere Artenschutz regelt im Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) die sogenannten Zugriffsverbote, unter anderem die Tötung oder Verletzung von Tieren, Störung der lokalen Population (Erhaltungszustand), Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten.

Der Umgang mit den sogenannten gesetzlich geschützten Arten ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt und hat auch im Alltag große Bedeutung für die Städte und Gemeinden und auch direkt für die Bürger“, sagt Carsten Uhlenbrock.

Durch den Pfingststurm „Ela“  haben viele Tierarten, die in Bäumen leben, ihren natürlichen Lebensraum als Brut- Nist- oder Nahrungsstätte verloren. Verschärft wird die Situation durch die Baumfällungen, die wiederum zur Sicherstellung der Verkehrssicherungspflicht notwendig sind. „Besonders prekär kann diese Situation für Fledermäuse werden, die sich in Baumhöhlen und Unterschlupfen befinden“, sagt Uhlenbrock. „Vor allem im Winter, wenn die Tiere aufgrund niedriger Temperaturen recht bewegungslahm und unter Umständen flugunfähig sind, sind Baumfällungsmaßnahmen problematisch.

Die KSR halten im Rahmen der Baumpflege und Forstunterhaltung die Vorgaben, die sich aus dem Natur- und Artenschutz ergeben, ein. Jetzt gehen die KSR noch einen Schritt weiter. In Abstimmung mit den Vertretern der Unteren Landschaftsbehörde, mit dem Regionalforstamt Wald und Holz sowie mit Fledermausexperten aus Naturschutzverbänden haben die KSR ein Handlungskonzept erstellt. Das beinhaltet auch einen Notfallset, um für Ernstfälle ausgerüstet zu sein.

Grundsätzlich prüfen wir ausnahmslos vor der Fällung, ob Fledermäuse in Baumhöhlen Unterschlupf gefunden haben“, sagt Stefan Klinger von den KSR. „Wir arbeiten hier sehr gewissenhaft und sind sicher, bislang noch keine Fledermaus übersehen zu haben. Sollte aber trotz der sorgfältigen Überprüfung der Ernstfall eintreten, so können wir dem Tier sofort helfen.

Der Notfallkasten besteht aus einem Fledermaus- und einem Transportkasten, also einem ausstaffierten Pappkarton. Im Ernstfall werden dann je nach Zustand des Tieres bestimmte Vorgehensweisen eingehalten. Wenn das Tier noch flugunfähig, aber offensichtlich nicht verletzt ist, wird die Fledermaus in den Fledermauskasten gesetzt. Dieser Kasten wird direkt am Nachbarbaum angebracht. Die Fledermaus hat Platz genug und kann durch das Flugloch herausklettern, um schließlich einen anderen Unterschlupf zu finden. Parallel geben die KSR dem Fachdient Umwelt des Kreises und Fledermausexperten Bescheid. Letztere kümmern sich dann um die Nachsorge der Fledermaus.

Ist die Fledermaus verletzt, wird das Tier in die Pappkiste gesetzt und zu einem Fledermausexperten gebracht. Dieser versorgt das Tier und bringt es wieder in den angestammten Lebensraum zurück. Der Kreis Recklinghausen wird darüber informiert.

Wir hoffen natürlich, dass dieser Ernstfall nicht eintritt und wir durch unsere genauen Überprüfungen vor der Fällung eine Fledermaus rechtzeitig entdecken“, betont Klinger.

Mehr Informationen zum besonderen Artenschutzrecht gibt es auf der Homepage des Kreises:
http://www.kreis-re.de/dok/Formulare/70/Artenschutzrecht.pdf

Informationen rund um die Fledermaus gibt es auf der Seite der AG Fledermaus www.fledermausschutz-kreisrecklinghausen.de

 

Bildbeschreibung: Stefan Klinger (KSR, v.l.n.r.), Alfons Pennekamp (Fledermausexperte), Carsten Uhlenbrock und Wolfgang Wieser (beide Kreis Recklinghausen, Fachdienst Umwelt, Untere Landschaftsbehörde) stellen die Notfallkästen für Fledermäuse vor. Insgesamt kostet das Set 30 Euro, ist kein großer Aufwand – und kann trotzdem im Ernstfall das Leben einer Fledermaus retten.

Optimierung kleiner Quartiere im Stadtgebiet von Münster

Im Rahmen des Projektes Fledermausschutz haben die Mitarbeiter der NABU-Naturschutzstation Münsterland in den letzten vier Jahren im Stadtgebiet von Münster 15 alte Bunker zur Überwinterung von Fledermäusen hergerichtet. Dabei sind die Bunker von allerlei Müll gereinigt und mit einer soliden Türe verschlossen worden.

Um den Ansprüchen der Fledermäuse gerecht zu werden, sind zahlreiche Verstecke in Form von Fledermauskästen und Einbausteinen aus Holzbeton, Hohlblocksteine und Bohrlöcher mit einem Durchmesser von 38 mm und einer Tiefe von 10 cm angebracht worden.

Von den optimierten Bunkern sind nun im Winter 2003 bereits 9 von den Tieren bezogen worden. Mit den bereits vorhandenen zwei besetzten Quartieren haben in diesem Winter insgesamt bis zu 47 Fledermäuse (überwiegend Braune Langohren, aber auch bis zu 7 Fransenfledermäuse) im Stadtgebiet überwintert. Einige Objekte wurden bereits im ersten Jahr nach der Herrichtung genutzt.

Dies zeigt, dass auch die Optimierung derart kleiner Quartiere sehr viel zum Schutz der Tiere beitragen kann.

Carsten Trappmann

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