Modellierung der Wirksamkeit der akustischen Überwachung zur Vorhersage von Schlagopfern in Windkraftanlagen

Weltweit werden eine Vielzahl von Fledermäusen an Windkraftanlagen getötet. Um Vermeidungsmaßnahmen wie z. B. die Einschränkung der Nutzung von Windenergieanlagen zu formulieren, setzen neuere Ansätze die akustische Aktivität von Fledermäusen in der Umgebung von Referenzanlagen mit den Todesfällen in Beziehung, um die Todesraten an Anlagen zu extrapolieren, an denen nur akustische Untersuchungen durchgeführt werden. Hier haben wir modelliert, wie empfindlich dieser Ansatz ist, wenn die räumliche Verteilung von Fledermäusen innerhalb der Rotorfläche variiert und wenn sich der Erfassungsbereich der akustischen Überwachung verschlechtert, z. B. mit zunehmender Turbinengröße.

Die Vorhersagekraft der akustischen Erfassungen war bei gleichmäßiger oder zufälliger Verteilung der Fledermäuse hoch. Eine Konzentration von Fledermausdurchflügen um die Gondel oder im unteren Teil der Risikozone führte zu einer Überschätzung der Fledermausaktivität, wenn die Ultraschallmikrofone nach unten auf die Gondel gerichtet waren. Umgekehrt führte eine Konzentration von Fledermausflügen am Rand oder im oberen Teil der Gefahrenzone zu einer Unterschätzung der Fledermausaktivität.

Diese Effekte nahmen zu, je geringer die Reichweite der akustischen Überwachung war. Ohne Kenntnis der räumlichen Verteilung der Fledermäuse stimmen die hochgerechneten Todesraten nicht unbedingt mit den realen Bedingungen überein, insbesondere wenn die Risikozone durch die akustische Überwachung nur unzureichend abgedeckt ist, wenn die räumliche Verteilung schief ist, wenn die Turbinen groß sind oder die Häufigkeit der echoortenden Fledermäuse hoch ist.

Wir argumentieren, dass die Vorhersagekraft akustischer Erhebungen bei nicht zufälligen oder ungleichmäßigen Verteilungen ausreichend ist, wenn sie durch Suche von Schlagopfern und ergänzende Studien über die räumliche Verteilung von Fledermäusen an Turbinen validiert wird.

Christian C. Voigt, Cedric Scherer, Volker Runkel
First published: 10 November 2022
Quelle: https://doi.org/10.1111/csp2.12841

Funding information: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Grant/Award Number: 491292795; Open Access Fund of the Leibniz-Gemeinschaft; IZW

Networking unter Fledermäusen – Gemeinsame Nahrungssuche führt schneller zum Erfolg

Soziale Jagdstrategien sind bereits bei vielen Tierarten, deren Beute sich unvorhersehbar in der Landschaft verteilt, gut dokumentiert. In einer neuen Forschungsarbeit weisen Manuel Roeleke und sein Team von der Universität Potsdam und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) nun erstmalig nach, dass sich Tiere – in diesem Fall die Fledermausart Großer Abendsegler –zu einem mobilen sensorischen Netzwerk zusammenschließen, um gemeinsam ihre Chancen auf Beutefang zu erhöhen. Die heute in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichten Untersuchungen belegen, dass Beutegreifer durch flexible Jagdstrategien in der Lage sind, sich über eine Vernetzung mit Artgenossen unterschiedlichen Umweltbedingungen anzupassen.

Viele Beutegreifer müssen täglich ihre Nahrung finden. Ist die Beute unregelmäßig in der Landschaft verteilt und nur für kurze Zeit verfügbar, erscheint diese Aufgabe wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Tiere, die von solch unvorhersehbaren Beutevorkommen abhängen, haben daher oft soziale Strategien zur Nahrungssuche entwickelt: Während der Suche stehen die Tiere miteinander in Kontakt und tauschen Informationen über ihre Umwelt aus. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Potsdam und des Leibniz-IZW beobachtete nun erstmals, dass sich Fledermäuse der Art Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) während der Nahrungssuche zeitweise zu mobilen, sensorischen Netzwerken zusammenschließen. „Der Große Abendsegler eignet sich besonders gut für derartige Untersuchungen, denn seine Beute – Insektenschwärme – verteilt sich völlig unvorhersehbar im offenen Luftraum“, erklärt der leitende Autor des Aufsatzes, Manuel Roeleke. „Zudem ist die Distanz, über welche die Fledermäuse die Insekten per Ultraschall orten können, mit etwa 10 -15 Metern relativ klein. Das erschwert ihnen das Aufspüren ihrer Beute. Dahingegen nehmen die Tiere ihre eigenen Artgenossen über sehr viel größere Entfernungen, im Idealfall bis zu 160 Meter, wahr. Die Suche in der Gruppe sollte demnach einfacher sein.“

Insgesamt untersuchten die Forschenden die Flugmuster von 81 Fledermäusen. Möglich wurde das durch kleine Radiosender, die Signale an einen Verbund von Antennen senden. Florian Jeltsch von der Universität Potsdam erklärt: „Mit dem hochmodernen ‚ATLAS‘-System können wir die Bewegung dutzender Tiere zeitgleich aufnehmen. Dank der großartigen Unterstützung lokaler Landwirte und Privatpersonen können wir die Tracking-Technologie seit 2018 in der Uckermark betreiben – eine einzigartige Chance, um Tierbewegungen und Artenvielfalt in der europäischen Kulturlandschaft zu erforschen.“ Sein Kollege Christian Voigt vom Leibniz-IZW ergänzt: „Mit dem ‚ATLAS‘-System ist es nun möglich, die Interaktionen von Fledermäusen im Flug aufzunehmen. Unsere Daten konnten die Theorie der mobilen sensorischen Netzwerke bestätigen: Während der Insektensuche fächern sich die Fledermäuse auf, bleiben aber akustisch in Kontakt und passen falls nötig ihre Flugbahnen einander an, um ein möglichst großes Gebiet absuchen zu können.“ Findet ein Tier im Netzwerk also einen Schwarm Beuteinsekten, bekommen das die Nachbarn über Veränderungen in den Flugbewegungen und anhand speziell zur Insektenjagd genutzter Ultraschallrufe mit, wodurch nach und nach alle Tiere im sensorischen Netzwerk auf das lohnende Jagdgebiet aufmerksam werden.

Das Forschungsteam verglich die Effizienz der Nahrungssuche von „vernetzten“ Fledermäusen mit der von Einzeljägern in Abhängigkeit von Gruppengröße und Nahrungsverteilung. Dafür nutzten sie ein von Mitautorin Cara Gallagher entwickeltes Computermodell, welches auf den empirisch ermittelten Bewegungsmustern basiert. „Sich zu vernetzen und auszutauschen, erwies sich für die Fledermäuse besonders sinnvoll, wenn die Nahrungsquellen räumlich weit verteilt waren“, erklärt Roeleke. „So zeigt unser Modell, dass ‚vernetzte‘ Tiere 40% weniger Zeit brauchten um Beute aufzuspüren als Fledermäuse, die ihre Artgenossen während der Jagd ignorierten.“ Durch die Jagd in der Gruppe können die Fledermäuse auch in großräumigen Kulturlandschaften Beute finden und tragen dabei effektiv zur Kontrolle landwirtschaftlicher „Schad“insekten bei. Dazu ist aber ein konsequenter Schutz dieser Tiere und ihrer Quartierverbünde notwendig. Wird die lokale Population zu klein, ist es den Tieren nicht mehr möglich, effiziente Netzwerke zu bilden. Als Einzelgängern fällt es den Tieren dann schwer, schnell und zuverlässig Nahrung zu finden.
Publikation

Roeleke M, Schlägel UE, Gallagher C, Pufelski J, Blohm T, Nathan R, Toledo S, Jeltsch F, Voigt CC (2022): Insectivorous bats form mobile sensory networks to optimize prey localization: the case of the common noctule bat. PNAS 119 (33) e2203663119. DOI: 10.1073/pnas.2203663119

Quelle: https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/networking-unter-fledermaeusen-gemeinsame-nahrungssuche-fuehrt-schneller-zum-erfolg.html

Beachtung von Fledermäusen beim Ausbau der Windenergie

Fachpapier des Bundesfachausschuss (BFA) Fledermäuse im NABU:
Beachtung von Fledermäusen beim weiteren Ausbau der Windenergie

Die öffentliche Debatte um den Windenergieausbau fokussiert aktuell in erster Linie auf den Konflikt zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Vögeln. Die Konfliktlagen, die mit anderen Tiergruppen bestehen, werden in der Debatte weitestgehend ausgeblendet. Im Falle von Fledermäusen liegt dies vermutlich an der Annahme, mit Hilfe technischer Minimierungsmaßnahmen wie der Abschaltung von WEA seien die Konflikte in diesem Spannungsfeld gelöst. Dies ist allerdings ein Irrtum. Hinsichtlich des Fledermausschutzes werden in Deutschland einige artenschutzrechtlich bedenkliche Praktiken im Rahmen von Genehmigungsverfahren von WEA umgesetzt, die einer ökologisch nachhaltigen Energiewende widersprechen.

Es ist unbestritten, dass der Ausbau der Windenergie im Ganzen als Teil der Energiewende dem Klimaschutz dient. Biodiversitäts- und Klimakrise sind aber zwei Krisen, die in ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Bedeutung als gleichwertig zu behandeln sind. Die Klimakrise fördert zwar das globale Artensterben, die Hauptursache für die Biodiversitätskrise liegt aber in den von Menschen bewirkten weltweiten Landnutzungsänderungen. Da Klimaerwärmung und Biodiversitätskrise unterschiedliche Hauptursachen haben, sind die Ansätze zu deren Bekämpfung unterschiedlich. Genauso wie Naturschutz dem Klimaschutz dient, hilft ökologisch nachhaltiger Klimaschutz auch dem Naturschutz. Klimaschutz kann jedoch wirksamen Artenschutz nicht ersetzen. Im Falle der Fledermäuse ist es unklar, welche Auswirkungen der Klimawandel auf einheimischen Arten haben wird. Der Ausbau der Windenergie ist somit zwar als Klimaschutzmaßnahme zu werten, nicht aber als wichtigste Maßnahme zum Schutz von Fledermäusen oder gar der globalen Biodiversität, wie das regelmäßig in Diskussionen angeführt wird.

Der Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz ist bei Planungen von WEA anzuerkennen. Er kann nur dann aufgelöst werden, wenn beiden Zielen gleichwertiger Raum gegeben wird. Auf Grund biologischer Besonderheiten und des hohen Schutzstatus der Fledermäuse besteht die Notwendigkeit einer umfangreichen Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Planung und dem Betrieb von WEA. Das folgende Papier soll einige der Konfliktfelder aufführen und Lösungsansätze wiedergeben.

Download: 220410_Standpunkt_BFA-Fledermaeuse_Beachtung-von-Fledermaeusen-beim-weiteren-Ausbau-der-Windenergie

Radler brauchen Licht, Fledermäuse die Dunkelheit

Ist ein adaptives Beleuchtungskonzept für Fahrradwege die Lösung?

egionale Fahrradwege außerhalb größerer Siedlungen gewinnen für eine umweltschonende Mobilität immer stärker an Bedeutung. Die Beleuchtung der Radwege bei Nacht erhöht die Sicherheit der Radfahrenden, stört jedoch zugleich geschützte Fledermausarten. Ein neues, im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördertes Projekt sucht nach Lösungen: Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchen in Kooperation mit der Stadt Münster, ob ein dynamisches Beleuchtungskonzept, welches nur bei Anwesenheit von Radfahrenden die Wege beleuchtet, den negativen Einfluss auf Fledermäuse reduzieren kann.

Außerhalb des Siedlungsbereichs führen Radwege oftmals durch Gebiete, die bei Nacht unbeleuchtet sind, unter anderem weil künstliches Licht an derartigen Standorten Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum stört. Da eine Beleuchtung jedoch die Fahrsicherheit deutlich erhöht, braucht es alternative Beleuchtungskonzepte, die sich bedarfsabhängig nur für die Dauer der Anwesenheit von Radfahrenden anschalten. Es ist bislang unbekannt, wie sich derartige adaptive, dynamische Beleuchtungskonzepte auf geschützte Tiere wie Fledermäuse auswirken – im Vergleich mit einem unbeleuchteten und mit einem dauerhaft beleuchteten Fahrradweg.

„Fledermäuse reagieren sensibel auf künstliche Beleuchtung, dies ist vor allem in städtischen Kontexten vielfach nachgewiesen worden“, sagt Projektleiter PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Zugleich sind Fledermäuse nach nationalem, EU- und UN-Recht streng geschützt, beispielsweise durch §7 des Bundesnaturschutzgesetzes, durch die EU Fauna-Flora-Habitat Richtlinie 92/43/EWG und die UN-Konvention zum Schutz migrierender Arten. Es besteht daher die Pflicht, Lebensräume von Fledermäusen zu schützen und für eine positive Bestandsentwicklung zu sorgen.“ Im neuen Projekt „Entwicklung eines FLEdermausfreundlichen adaptiven BEleuchtungskonzepts für FAhrradwege“ (FLEBEFA) soll bei der Etablierung eines kontextabhängigen Lichtmanagements entlang eines regionalen Fahrradwegs am Dortmund-Ems-Kanals erforscht werden, welchen Einfluss die künstliche Beleuchtung auf geschützte Fledermäuse hat. Dabei untersuchen Voigt und sein Team über ein akustisches Monitoring sowie über Bewegungsanalysen das Antwortverhalten der Fledermäuse auf das An- und Abschalten der LED-Beleuchtung.

„Ein bedarfsabhängiges Lichtmanagement bietet gegenüber den konventionellen Systemen den Vorteil, dass eine Störung nachtaktiver Tiere hoffentlich minimiert und gleichzeitig Energie eingespart wird“, sagt Voigt. „Es ist jedoch unbekannt, wie Fledermäuse auf ein adaptives Lichtmanagement reagieren.“ Die Ergebnisse des FLEBEFA-Projekts sollen dies ändern: Die Auswertung der akustischen Aktivität sowie der Bewegungsmuster soll das Antwortverhalten der lokalen Fledermausarten auf die adaptive Beleuchtung beschreiben. Es soll der zeitliche Bezug des Antwortverhaltens auf das An- und Abschaltereignis erfasst werden, um hierüber die Anschaltung aus Sicht des Fledermausschutzes unter Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte für Radfahrende zu optimieren. Das Modellprojekt einer fledermausfreundlichen adaptiven Beleuchtung soll es ermöglichen, an anderen Standorten ein ähnliches Lichtmanagement zu etablieren. Das Projekt FLEBEFA startete im Mai 2022 und wird über eine Laufzeit von 11 Monaten vom BMDV gefördert.

Über das Förderprogramm mFUND des BMDV

Im Rahmen des Förderprogramms mFUND unterstützt das BMDV seit 2016 Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um datenbasierte digitale Innovationen für die Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung ergänzt. Auf dem Portal mCLOUD werden öffentlich verfügbare Daten bereitgestellt.

Weitere Informationen gibt es unter www.mfund.de.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/radler-brauchen-licht-fledermaeuse-die-dunkelheit-ist-ein-adaptives-beleuchtungskonzept-fuer-fahrradwege-die-loesung.html

Reaktionen von Fledermäusen auf den Klimawandel: eine systematische Bewertung

Zu verstehen, wie Arten auf den Klimawandel reagieren, ist der Schlüssel für die Bewertung von Gefährdungen und die Entwicklung wirksamer Schutzstrategien, doch die Forschungsbemühungen zu den Reaktionen von Wildtieren auf den Klimawandel liefern aufgrund der damit verbundenen Verzerrungen keinen repräsentativen Überblick.

Fledermäuse sind eine artenreiche, weltweit verbreitete Gruppe von Tieren, von denen man annimmt, dass sie aufgrund ihres großen Oberflächen-Volumen-Verhältnisses und ihrer geringen Reproduktionsraten besonders empfindlich auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren. Wir haben die Literatur über die Reaktionen von Fledermäusen auf den Klimawandel systematisch ausgewertet, um einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu geben, Forschungslücken und Verzerrungen aufzuzeigen und den künftigen Forschungsbedarf hervorzuheben.

Wir stellten fest, dass die Studien geografisch auf Europa, Nordamerika und Australien sowie auf die gemäßigten und mediterranen Biome ausgerichtet sind, wodurch ein erheblicher Teil der Fledermausvielfalt und der thermischen Reaktionen nicht erfasst wird. Weniger als die Hälfte der veröffentlichten Studien liefern konkrete Beweise für die Reaktion von Fledermäusen auf den Klimawandel. Für mehr als ein Drittel der untersuchten Fledermausarten beruhen die Hinweise auf Reaktionen lediglich auf Modellen zur Vorhersage der Artenverteilung. Folglich betreffen die am häufigsten berichteten Reaktionen Arealverschiebungen (57 % der Arten) und Veränderungen in den Mustern der Artenvielfalt (26 %).

Fledermäuse zeigten eine Vielzahl von Reaktionen, darunter sowohl positive (z. B. Ausdehnung des Verbreitungsgebiets und Zunahme der Population) als auch negative (Verkleinerung des Verbreitungsgebiets und Abnahme der Population), wobei die Reaktionen auf extreme Ereignisse stets negativ oder neutral waren. Die räumlichen Reaktionen variierten in ihrem Ergebnis und zwischen den Familien, wobei fast alle taxonomischen Gruppen sowohl Ausdehnungen als auch Verringerungen des Verbreitungsgebiets aufwiesen, während die demografischen Reaktionen stark auf negative Ergebnisse ausgerichtet waren, insbesondere bei den Pteropodidae und Molos-sidae.

Die üblicherweise verwendeten korrelativen Modellierungsansätze können auf viele Arten angewandt werden, bieten jedoch keinen mechanistischen Einblick in verhaltensmäßige, physiologische, phänologische oder genetische Reaktionen. Es gab nur wenige experimentelle Studien (26 %), und nur ein kleiner Teil der 396 Fledermausarten, die in den untersuchten Studien behandelt wurden, wurde mit Hilfe von Langzeit- und/oder experimentellen Ansätzen untersucht (11 %), obwohl diese mehr Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels liefern. Wir betonen, dass mehr empirische Studien erforderlich sind, um die vielfältigen Reaktionen der Fledermäuse auf den Klimawandel zu entschlüsseln, und dass standardisierte Studiendesigns erforderlich sind, die eine Synthese und Metaanalyse der Literatur ermöglichen.

Schließlich betonen wir, wie wichtig es ist, geografische und taxonomische Unterschiede zu überwinden, indem die Forschungskapazitäten im globalen Süden gestärkt werden, um ein umfassenderes Bild der Reaktionen der terrestrischen Biodiversität auf den Klimawandel zu erhalten.

Quelle:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/brv.12893

Tod von Fledermäusen an Windkraftanlagen unterbricht natürliche Nahrungsketten

Der Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) hat negative Auswirkungen auf die Populationen betroffener Arten und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt (Biodiversität) im ländlichen Raum. Bisher konnten über weitergehende Folgen des Todes von Fledermäusen nur Vermutungen angestellt werden. Jetzt zeigte ein Team von Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Conservation Science and Practice“,  dass dadurch natürliche Nahrungsketten unterbrochen werden, was weitreichende negative Folgen für die Land- und Forstwirtschaft haben kann. Die Untersuchung demonstriert, in welchem Ausmaß bisher die herausragende funktionelle Bedeutung der Fledermäuse für unsere Lebensräume unterschätzt wurde.

Die Wissenschaftler:innen des Leibniz-IZW untersuchten das Beutespektrum von an WEA getöteten Großen Abendseglern, einer häufigen Fledermausart, die regelmäßig an WEA zu Tode kommt. Am Beispiel der vom Großen Abendsegler verzehrten Insekten dokumentierten sie, in welchem Ausmaß mit den getöteten Fledermäusen auch ihre funktionelle Bedeutung für ihre Lebensräume verloren geht.

Carolin Scholz und Christian Voigt – vom Leibniz-IZW – untersuchten, welche Insekten Große Abendsegler verzehrten, kurz bevor sie an den WEA zu Tode kamen. Hierfür analysierten sie den Mageninhalt von 17 an WEA getöteten Großen Abendseglern. Mit Hilfe ausgefeilter genetischer Methoden, inklusive der Hochdurchsatzsequenzierung, suchten sie nach den genetischen Barcodes der verzehrten Insekten. Diese genetischen Barcodes geben über die Identität der Arten Aufschluss. „Wir fanden DNA-Barcodes von 46 Insektenarten aus neun Ordnungen, die meisten davon Käfer und Nachtfalter“, sagt Scholz. „Die Insektenarten ließen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, von Ackerflächen über Grünland bis zu Wäldern und Feuchtgebieten, zuordnen.“ Zwanzig Prozent der identifizierten Insektenarten werden in der Land- und Forstwirtschaft als Schädlinge oder Lästlinge angesehen, beispielsweise der Esskastanienbohrer (Curculio elephas) oder der Eichenwickler (Cydia splendana). Das Wissenschaftsteam schließt daraus, dass der Verlust von Fledermäusen bestehende Nahrungsketten unterbricht und es somit zu einer höheren Anzahl von Schädlingen und Lästligen kommen könnte, was möglicherweise durch eine chemische Schädlingsbekämpfung kompensiert wird. Die kostenlose „Service-Leistung“ der Schädlingsreduzierung durch Fledermäuse wird durch die WEA beeinträchtigt, und ist somit für die Land- und Forstwirtschaft ein relevantes Thema.

Die Energieproduktion aus Windkraft trägt unbestritten zur Reduzierung der CO2– Emission bei. Der Flächenbedarf hierfür ist groß, die ökologischen Nebenwirkungen für betroffene Tiergruppen wie Fledermäuse und Insekten massiv. Jüngst wurde für Deutschland eine Verdoppelung der für die Windenergieproduktion genutzten Landfläche beschlossen.  Hiervon sind vor allem landwirtschaftliche Flächen und Forstmonokulturen betroffen. Diese Ökosysteme sind bereits durch eine reduzierte Artenvielfalt charakterisiert, da sie in der Vergangenheit mehrere Wellen der Intensivierung durchliefen, Flure bereinigt und Anbaumethoden zugunsten der Ertragserhöhung optimiert wurden. Die WEA, die im Rahmen der Energiewende aufgestellt werden, führen nun zu einer neuen Welle der Intensivierung.

„Bisher sind die Folgen dieser aktuellen Landnutzungsintensivierung für die Biodiversität und die Widerstandsfähigkeit dieser Lebensräume nicht bekannt. Das ist umso bedauerlicher, da diese Transformation gerade im großen Stil in unseren Landschaften durchgeführt wird“, berichtet Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie. “Auf welche Weise sich die Energiewende auf die biologische Vielfalt in den betroffenen Lebensräumen auswirkt, müssen wir noch erheblich genauer verstehen. Dabei steht es außer Frage, dass die aufgestellten WEA zum Schutz des globalen Klimas und hierüber auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen.“ Bekannt ist aber auch, dass an WEA eine große Zahl an Fledermäusen verstirbt. „Der Verlust dieser Schlagopfer ist für die Populationen oftmals schwierig abzufangen, da die betroffenen Arten geringe Reproduktionsraten haben. Es verschwinden jedoch nicht nur Individuen aus der Landschaft, sondern potenziell gehen auch ihre Interaktionen in komplexen Nahrungsnetzen verloren“ sagt Scholz, Erstautorin des Artikels.

Zählungen haben ergeben, dass pro Jahr mehr als zehn Fledermäuse an jeder konventionell betriebenen WEA zu Tode kommen. Das summiert sich bei 30.000 WEA auf dem Festland in Deutschland zu erheblichen sechsstelligen Schlagopferzahlen. Neuere Anlagen werden mittlerweile in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgeschaltet, um die Fledermäuse davor zu bewahren, mit den Rotorblättern zu kollidieren. Dies kann die Schlagopferzahl auf ein bis zwei Individuen pro Jahr und WEA reduzieren. Tragischerweise werden allerdings alte WEA nach wie vor ohne derartige Abschaltregeln betrieben. Dies sind immerhin 75 % aller WEA in Deutschland. „Wir müssen damit rechnen, dass pro Jahr mehr als 200.000 Fledermäuse an WEA versterben“, sagt Voigt. „Wenn weiterhin diese hohe Zahl an Schlagopfern an WEA geduldet wird, werden immer weniger Schadinsekten durch Fledermäuse verzehrt“, schlussfolgert Voigt. Fledermäuse spielen als Jäger eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung von Insektenbeständen. Der Verlust von Fledermäusen und ihres Einflusses auf Nahrungsketten lässt Ökosysteme anfälliger gegenüber Störungen werden, so mutmaßen Voigt und Scholz. Um die Zusammenhänge genauer zu verstehen, bedarf es noch weiterer, tiefergehender Forschungsarbeiten. Ein erster wichtiger Schritt zum Erhalt der Fledermäuse und ihrer funktionellen Rolle in ihren Lebensräumen wäre eine verpflichtende Abschaltung der WEA in Zeiten hoher Fledermausaktivität, fordern Voigt und Scholz. Hierfür muss die Genehmigungspraxis alter WEA überdacht werden. Nur dadurch lassen sich die negativen Folgen der Landnutzungsintensivierung durch die Energiewende auf unsere Ökosysteme auf ein Minimum beschränken.

Publikation:
Scholz C, Voigt CC (2022): Diet analysis of bats killed at wind turbines suggest large scale losses of trophic interactions. Conservation Science and Practice, 2022 e12744. DOI: 10.1111/csp2.12744

F+E Vorhaben: Auswirkungen des Insektenrückgangs auf Fledermäuse

Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten Fledermausart Graues Langohr wird der Insektenrückgang und seine Wirkung auf Fledermäuse thematisiert und für die Naturschutzpraxis praxisorientiert dargestellt.

Hintergrund

Die insektenfressenden Fledermäuse sind Endglieder der Nahrungskette und auf eine ausreichende Dichte an Beutetieren angewiesen. Nur so können sie in den wenigen Sommermonaten genug Nahrung für sich und die Jungen finden und vor dem Winterschlaf ausreichend Depotfett speichern, um erfolgreich zu überwintern. Durch den Rückgang der Insekten in der Landschaft ist zu erwarten, dass sich die reduzierte Beutetierdichte ungünstig auf Fledermausvorkommen auswirkt. Untersucht werden soll dies am Beispiel des Grauen Langohrs (Plecotus austriacus), einer Fledermausart, die eng an die offene Kulturlandschaft gebunden ist.

Das Projekt

Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten Fledermausart Graues Langohr soll untersucht werden, wie sich der Insektenrückgang in der offenen Kulturlandschaft auf Fledermäuse auswirkt. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen Schutzmaßnahmen empfohlen werden, durch deren Umsetzung in der Landschaft die Situation verbessert werden kann. Untersucht wird in drei Schwerpunktgebieten von Wochenstubenkolonien in Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg.

Die Projektumsetzung erfolgt über vier Arbeitspakete:

  • Ermittlung der Gesamtverbreitung in Deutschland und Einrichtung eines (wiederkehrenden) Expertenworkshops.
  • Durchführung von Telemetriestudien in drei Wochenstubenkolonien zur Ermittlung von relevanten Kernjagdgebieten und deren Abhängigkeit von der Landschaftsausstattung.
  • Ermittlung des Beutetierspektrums mittels manueller und DNA-Barcoding – Analysen von Kotpellets über die gesamte Saison hinweg.
  • Berechnung des Mindestnahrungsbedarfs des Grauen Langohrs.

Im Ergebnis sollen in einem Leitfaden die Situation des Grauen Langohrs in Deutschland zusammengestellt und analysiert sowie Empfehlungen für Schutzmaßnahmen für die Art und für deren Umsetzung formuliert werden.

Weitere Informationen:
https://www.bfn.de/projektsteckbriefe/auswirkungen-des-insektenrueckgangs-auf-fledermaeuse

Ohne Abschaltzeiten: Viele Schlagopfer an alten Windenergieanlagen

An Windenergieanlagen (WEA) versterben regelmäßig Fledermäuse seltener und geschützter Arten, sofern deren Betrieb in Zeiten hoher Fledermausaktivität nicht zeitweise eingestellt wird. Ein Wissenschaftsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) führte nun eine beispielhafte Zählung der Schlagopferzahlen durch eine systematische Erfassung von Fledermauskadavern unter alten Anlagen durch, die ohne Auflagen zum Fledermausschutz betrieben werden. In zwei Monaten kamen pro WEA durchschnittlich 70 Fledermäuse zu Tode. Auch wenn diese Zahlen nicht eins-zu-eins auf alle 20.000 alten Anlagen in Deutschland übertragen werden könnten, ergäbe sich ein erheblicher Handlungsbedarf. Der Betrieb alter Anlagen müsste dem aktuellen Regelwerk angepasst werden, argumentieren die Autor:innen in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Global Ecology and Conservation“.

Der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) zur Stromerzeugung hat unerwünschte Nebenwirkungen auf die Tierwelt, denn an den Rotoren versterben regelmäßig Fledermäuse seltener und geschützter Arten, wie dem Großen Abendsegler (Nyctalus noctula) oder der Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii). Die Verluste an den WEA tragen zu Bestandsrückgängen bei. Dieses gravierende Problem wird bei neuen WEA durch das zeitweise Abschalten der Anlagen bei hoher Fledermausaktivität berücksichtigt – jedoch erst seit gut zehn Jahren. Ältere WEA, also etwa 75% aller derzeit in Deutschland in Betrieb befindlichen Onshore-Anlagen, sind bisher von solchen Auflagen nicht betroffen. „Da wir wissen, dass diese Auflagen das Schlagrisiko an Windenergieanlagen für die Tiere tatsächlich nennenswert senken, müssen wir von erheblichen Schlagopferzahlen vor allem an unregulierten Anlagen und an Anlagen an ungünstigen Standorten ausgehen“, sagt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie des Leibniz-IZW.

Voigt und seine Kolleginnen errechneten im Jahr 2021 beispielhaft die Schlagopferzahlen an einem seit 2001 laufenden Windpark mit drei Anlagen – mit dem unerfreulichen Ergebnis, dass in zwei Sommermonaten pro Anlage im Durchschnitt 70 Schlagopfer zu verzeichnen waren. Hochgerechnet auf die zwanzigjährige Laufzeit dieses Windparks muss von erheblichen Opferzahlen an diesem Windpark ausgegangen werden. Um diese präzisen Zahlen zu erlangen, sammelte das Wissenschaftsteam in den Monaten August und September Fledermaus-Schlagopfer an den drei WEA des Windparks westlich von Berlin. „Präzise Zählungen sind eine methodische Herausforderung, da wir aus zwei Gründen längst nicht alle Schlagopfer finden können“, führt Ko-Autorin Dr. Carolin Scholz aus. „Zum einen finden wir nur einen Bruchteil der Kadaver in der hohen Vegetation, zum anderen werden die Kadaver durch Füchse sowie Krähen- und Greifvögel relativ schnell wieder abgetragen.“ Jede einfache Zählung wäre daher eine massive Unterschätzung der tatsächlichen Schlagopferanzahlen. Das Team führte daher mit Mäusekadavern ein Experiment durch, um die Sucheffizienz zu ermitteln. Mäuse- und Fledermauskadaver haben eine ähnliche Größe und daher eine ähnlich hohe Wahrscheinlichkeit, gefunden zu werden. Darüber hinaus ermittelten sie, wie lange Mäusekadaver, die unter den Anlagen an Zufallsorten verteilt wurden, vor Ort verbleiben. „Wir konnten ermitteln, dass selbst erfahrene Suchteams nur eins von sechs (17%) Schlagopfern finden und dass knapp die Hälfte der Kadaver innerhalb von 24 Stunden von anderen Tieren entfernt wurden“, sagt Scholz. „Nach den 24 Stunden blieben nahezu alle verbliebenen Kadaver noch ungefähr eine Woche liegen, sodass wir einen sehr zuverlässigen Korrekturwert für unsere systematische Zählung im Abstand von im Mittel zwei Tagen generieren konnten.“

Mittels beider Korrekturwerte errechnete das Team eine Anzahl von 209 Schlagopfern an den drei Windenergieanlagen in den zwei Monaten während der Hauptzugzeit der Fledermäuse. Obschon die Anzahl von 70 Schlagopfern pro WEA und Jahr im Vergleich zu bisher bekannten Werten relativ hoch ist, sieht Christian Voigt diesen als konservativ an, da zum Beispiel Teile der Zugzeit nicht in den Untersuchungszeitraum fielen. Vermutlich ist der Standort des Windparks aus Sicht des Fledermausschutzes sehr ungeeignet, da viele Hecken und Gebüsch in der Nähe der Anlagen stehen. „Diese konservative Hochrechnung ist alarmierend genug, denn wir müssen davon ausgehen, dass in Deutschland an 20.000 nicht regulierten Anlagen im Laufe ihrer Lebensdauer sehr viele Schlagopfer zu verzeichnen sind“, so Voigt. „Dies ist bei gefährdeten Arten mit rückläufigen Bestandszahlen wie dem Großen Abendsegler nicht akzeptabel, zumal Fledermäuse durch vielerlei Rechtsgrundlagen auf nationaler und EU-Ebene streng geschützt sind.“

Die Autorinnen und Autoren plädieren daher dafür, dass der Betrieb alter Anlagen überdacht wird und dem aktuellen Regelwerk – beispielsweise im Hinblick auf verpflichtende Abschaltungen in Zeiten hoher Fledermausaktivität – angepasst wird. Bei alten Anlagen, die an besonders ungünstigen Standorten stehen, müsse auch ein Abbau in Erwägung gezogen werden, damit die Ziele der Energiewende zur Reduktion von Treibhausgasen bei der Energieproduktion nicht unverhältnismäßig auf Kosten der Artenvielfalt erreicht werden.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/alte-windenergieanlagen-ohne-abschaltzeiten-fordern-viele-schlagopfer-unter-geschuetzten-fledermausarten.html

Publikation:
Voigt CC, Kaiser K, Look S, Scharnweber K, Scholz C (2022): Wind turbines without curtailment produce large numbers of bat fatalities throughout their lifetime: A call against ignorance and neglect. Global Ecology and Conservation, Volume 37, 2022, e02149. DOI: 10.1016/j.gecco.2022.e02149

Lebensraum für Fledermäuse durch Windkraftanlagen eingeschränkt

Viele Fledermausarten migrieren jahreszeitlich über weite Strecken durch Europa und nutzen dabei die Küsten der Nord- und Ostsee als Korridore. Küsten sind auch geeignete Standorte für Windkraftanlagen, an denen Fledermäuse zu Tode kommen können. Eine Untersuchung des Raumnutzungsverhaltens von Großen Abendseglern in diesen Küstenregionen unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zeigt nun, dass Windkraftanlagen im Küstenbereich den Lebensraum der Fledermäuse einschränken. Daher sollten bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten verbliebene Refugien geschützt und neue Anlagen nicht in der Nähe von Jagdlebensräumen und Tagesquartieren aufgestellt werden, schlussfolgern die Wissenschaftler:innen in dem Aufsatz im „Journal of Environmental Management“. Der Ausbau der Windkraft in Deutschland könnte sonst nicht nur für heimische Tiere, sondern auch für migrierende Fledermäuse aus Nordosteuropa nachteilige Konsequenzen haben.

Viele Fledermäuse sind echte Europäer: Sie wandern im Rhythmus der Jahreszeiten von ihren Sommerlebensräumen in Nordosteuropa, in denen sie sich fortpflanzen, zu ihren Überwinterungsgebieten in den Beneluxstaaten, Frankreich und Nordspanien. Dabei legen sie bis zu 2.000 Kilometer zurück und lassen sich vermutlich durch günstige Winde tragen. Diese Winde, welche besonders stark und stet an der Küste wehen, sind auch besonders gut zur Erzeugung von Strom aus Windkraft geeignet. In einer Analyse der Raumnutzung untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung des Leibniz-IZW nun, in welcher Weise Große Abendsegler (Nyctalus noctula) mit Windenergieanlagen (WEA) an Küstenstandorten interagieren. Da migrierende Fledermäuse einerseits streng geschützt sind, andererseits aber besonders häufig an WEA in Deutschland verunglücken, ist es wichtig zu wissen, wie Fledermäuse in einem solchen Ballungsgebiet der Windenergieproduktion geschützt werden können, sodass neben den Interessen des Klimaschutzes auch die Interessen des Artenschutzes berücksichtigt werden.

Das Team um PD Dr. Christian Voigt und Dr. Christine Reusch analysierte die Bewegungsdaten von 11 Großen Abendseglern, die sie in einem küstennahen Waldgebiet einfingen und mit miniaturisierten GPS-Einheiten ausstatteten. Die Mini-Sender fallen nach einigen Tagen von alleine von den Flattertieren ab. Die Auswertung zeigte, dass die Mehrzahl der Tiere die WEA auf eine Distanz von mehreren Kilometern mieden. „Einerseits ist das eine gute Nachricht, denn dies verhindert, dass sie an den Anlagen zu Tode kommen“, sagt Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Anderseits bedeutet dies auch, dass sie einen Großteil ihrer Lebensräume durch den Betrieb der WEA verlieren. Bei einem ungebremsten weiteren Ausbau der Windenergieproduktion entlang der Küsten könnte es für diese Nomaden der Lüfte kritisch werden.“

Die Bewegungsrouten der Fledermäuse zeigten, dass sich einige Tiere den WEA näherten. Dies geschah besonders häufig, wenn die WEA in der Nähe eines Fledermaus-Tagesquartiers, eines Bauernhofs oder eines Gewässers standen. Gerade Bauernhöfe außerhalb von Ortschaften und Gewässer schienen sie an WEA anzulocken, vermutlich wegen der vielen Insekten, die sie dort jagen konnten. Große WEA wurden von den Fledermäusen deutlich häufiger angeflogen als kleine WEA, dies könnte aber ein spezieller Effekt der darunter liegenden Landschaftsstruktur und der Lage der Windturbinen zu den Tagesquartieren und Jagdgebieten sein. Die vergleichsweise höhere Aktivität an großen WEA könnte den Tieren jedoch zum Verhängnis werden, denn der angestrebte Ausbau der Windenergieproduktion soll vor allem über große WEA mit einer höheren Energieleistung erfolgen.

„Unsere Empfehlung für den Küstenbereich ist insgesamt, WEA nur in ausreichendem Abstand zu Quartieren und zu Jagdlebensräumen zu bauen“, erklärt Christine Reusch, die das über die Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt als Postdoc durchführte. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die wertvolle Ressource ‚Luftraum‘ sowohl für die Windenergieproduktion als auch für den Artenschutz nutzen können. In einem derartig wichtigen Migrationsgebiet, wie es die norddeutsche Küste sowohl für Vögel als auch für Fledermäuse ist, muss der Ausbau der Windenergieproduktion besonders behutsam erfolgen. Die Dichte der Anlagen sollte nicht zu hoch bemessen werden, um noch Platz für die Migration der Fledermäuse und anderer Tiere zu lassen.“

Deutschland spielt aufgrund seiner zentralen geografischen Lage in Europa eine wichtige Rolle beim Schutz migrierender als auch residenter Fledermausarten. Diese sind nach nationalem und EU-Recht streng geschützt. Außerdem hat sich Deutschland als Unterzeichner der relevanten UN-Konvention dem Schutz migrierender Tiere verpflichtet. Der Ausbau der Windenergieproduktion entlang der Küsten könnte zu weiteren beträchtlichen Lebensraumverlusten für migrierende Fledermäuse führen und dadurch deren Wanderung behindern. Bislang wird der weiträumige Lebensraumverlust beim Bau von WEA im Offenland nicht bewertet oder gar kompensiert. Um der bestehenden Gesetzgebung zu folgen, müsste dieser Lebensraumverlust eigentlich in die Genehmigungsverfahren und Planung von Windeignungsgebieten einbezogen werden, so das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dass Fledermäuse wie auch Vögel an Windkraftanlagen in nennenswerter Anzahl zu Tode kommen, stelle ein Hemmnis beim Ausbau der Windenergieproduktion dar; Biodiversitätsschutz und Klimaschutz seien jedoch gleichrangige Ziele, die gemeinsam bedacht und umgesetzt werden müssen.

Quelle:
https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/konflikt-um-die-lufthoheit-onshore-windkraftanlagen-schraenken-migrierende-fledermaeuse-in-ihrem-lebensraum-ein.html

Publikation: 
Reusch C, Lozar M, Kramer-Schadt S, Voigt CC (2022). Coastal onshore wind turbines lead to habitat loss for bats in Northern Germany. Journal of Environmental Management. DOI: 10.1016/j.jenvman.2022.114715

BFA Fledermäuse – Tagung 2023 in Bielefeld

Liebe Fledermausfreundinnen und Fledermausfreunde,

die 15. Tagung des Bundesfachausschuss Fledermäuse im NABU findet vom 14. bis 16. April 2023 in der Ravensberger Spinnerei im nordrhein-westfälischen Bielefeld statt. Die alle zwei Jahre stattfindende Fachtagung für ehrenamtlich tätige Fledermausschützende und Fledermausforschende dient dem Austausch von Erfahrungen, sowie der Erstellung neuer Konzepte und Stellungnahmen zu relevanten Themen im Fledermausschutz. Es werden die neuesten Ergebnisse von Studien präsentiert und über aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen im Fledermausschutz diskutiert.

Die Tagung steht unter dem Motto „Klimaschutz mit Artenschutz“. Dabei sollen den Teilnehmenden die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie der Ausbau alternativer Energien mit dem Schutz von Fledermäusen gelingen kann, vermittelt werden.

Der Bundesfachausschuss (BFA) Fledermäuse des NABU versteht sich als bundesweite Plattform für wissenschaftlichen Austausch und Vernetzung aller Fledermauskundler und -interessierte. Ziel ist es, Strukturen zur nationalen und internationalen Zusammenarbeit zu schaffen und zu stärken.

Es ist eine der größten Tagungen zum Fledermausschutz im deutschsprachigen Raum mit internationalem Anspruch. Wir erwarten ca. 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

03.02.2022: Die Anmeldung ist ab sofort hier über das Formular möglich.

Christian Giese
Sprecher LFA Fledermausschutz NRW (NABU)

Uwe Hermanns
Sprecher BFA Fledermäuse (NABU)

 

Kosten

Regulärer Tagungsbeitrag 85,00 €
Ermäßigter Tagungsbeitrag 65,00 €
SchülerInnen/Studierende zahlen einen ermäßigten Beitrag in Höhe von 65,00 €. Als Nachweis genügt die Kopie der Immatrikulationsbescheinigung bzw. des Schülerausweises (oder eines ähnlichen Dokuments). Dieses Dokument wird am Ort der Tagung bei der Anmeldung überprüft, also bitte nicht vergessen mitzubringen!

In dem Tagungsbeitrag enthalten ist die Teilnahme an der dreitägigen Fachtagung inkl. Gebäckteller und Softgetränken (Kaffee, Tee, Mineralwasser, Coca-Cola (light), Apfelschorle, Orangensaft) während des Tagungsprogramms (Freitag bis Sonntag), nachmittags Kuchen (Freitag und Samstag), Mittagessen (Samstag) sowie die Tagungsunterlagen inkl. der traditionellen Tagungstasse.

Option: Buffet am Freitagabend 14,00 €
Option: Buffet am Samstagabend 24,00 €
Das Buffet wird vegetarisch und vegan angeboten, die Zutaten stammen aus kontrolliert-biologischem Anbau und Herstellung. Es werden keinerlei Zusatzstoffe verwendet.

Stornierung: Gebühren bei Stornierung bis zum 04.04.2023: 30,00 €. Nach dem 04.04.2023 ist keine Erstattung mehr möglich.

Kleines Rahmenprogramm

(begrenzte Anzahl Teilnehmende):
Besichtigung des Fledermausquartiers in den Kasematten der Burg Sparrenburg unter der Leitung von Arnt Becker vom NABU Bielefeld.
Freitag, 14.04.2023 um 15:00 Uhr
Sonntag, 16.04.2023 um 15:00 Uhr
Dauer ca. 90 Minuten mit maximal 25 Personen

Link: Unterkünfte / Hotels
Link: Anreise
Link: Tagungsort „Ravensberger Spinnerei“ im Ravensberger Park

Vorläufiger Ablauf, Änderungen vorbehalten

Freitag, 14.04.2023
15:00 Uhr: Tagungsbüro geöffnet
18:00 Uhr: Offizielle Eröffnung der Tagung

Samstag, 15.04.2023
08:00 Uhr: Tagungsbüro geöffnet
09:00 Uhr: Beginn Vorträge

Sonntag, 16.04.2023
08:00 Uhr: Tagungsbüro geöffnet
09:00 Uhr: Beginn Vorträge

Auszug aus dem Programm:

Warum Langzeitstudien an markierten Fledermäusen wichtig sind für den Naturschutz.
Prof. Dr. Gerald Kerth, Angewandte Zoologie und Naturschutz – Fakultät – Universität Greifswald

Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Lichtschranken mit Kamerafallen
Gabriella Krivek & Jaap van Schaik, Universität Greifswald, Angewandte Zoologie und Naturschutz

NABU NRW „Raspberry Pi Bat Projekt“, Bat Pi in der Praxis und Weiterentwicklungen
Holger Körber und Klaus Schnippengerd

Fördert extensive Beweidung und traditionelle Landnutzung die Aktivität und Vielfalt von Fledermäusen im Naturschutzgebiet Taubergießen, Baden-Württemberg?
Dr. Sebastian Brackhane, Bereichsleiter Naturschutz, Deutsche Wildtier Stiftung

Besser etwas mehr Dunkel ins Licht bringen: Art- und Gildenspezifische Auswirkungen von künstlichem Licht für Fledermäuse
Dr. Daniel Lewanzik, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Abteilung für Evolutionäre Ökologie

Alte Steinbruchwände in den Baumbergen (NRW) – bedeutende Schwärm- und Winterquartiere für Fledermäuse
Frauke Meier (Echolot GbR), Matthias Olthoff (Naturschutzzentrum Kreis Coesfeld e.V.)

Zur Abwehr von Prädatoren an Fledermaus-Felsquartieren
Bernd Ohlendorf, AK Fledermäuse Sachsen-Anhalt e. V.

Das bundesweite Projekt „Schutz und Förderung der Mopsfledermaus in Deutschland“- Zwischenstand und Ausblick
Martin Biedermann, Projektleitung Mopsfledermaus, Stiftung Fledermaus

Indirekte Effekte von chemischer Verschmutzung in Fließgewässern auf Fledermausaktivität und -jagdverhalten
Maike Huszarik, Doktorandin Ökosystemanalyse Universität Koblenz-Landau · Department of Environmental Sciences

Fledermausschutz an Windenergieanlagen – Aktueller Stand und Herausforderungen
Cosima Lindemann, Vorsitzene NABU RLP

Das Nationale Artenhilfsprogramm und seine Bedeutung für den Fledermausschutz in Deutschland
Dr. Josef Tumbrinck, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Fledermausschutz im Lichte der neuen gesetzlichen Vorgaben
Patrick Habor, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

BATLAS – ein bundesweiter digitaler Fledermausatlas und die wichtige Rolle des Ehrenamtes
Dr. Marcus Fritze, Universität Greifswald, Angewandte Zoologie und Naturschutz

Die Anmeldung ist ab sofort hier über das Formular möglich.

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