Ein Aktionsplan für den Kleinabendsegler

In einem aktuellen Forschungsprojekt soll auf Basis von neuen Untersuchungen zur Verbreitung, Populationsstruktur und zum Zugverhalten des Kleinabendseglers (Nyctalus leisleri) ein Arten-Aktionsplan entwickelt werden.

Gemäß FFH-Bericht 2019 weist der Kleinabendsegler in Deutschland einen ungünstig-unzureichenden Erhaltungszustand mit teilweise rückläufigem Bestandstrend auf. In der Roten Liste Deutschland wird die Art in der Kategorie D, Daten defizitär, eingestuft. Es gibt erhebliche Wissenslücken, wie sich die Wochenstuben-, Paarungs- und Überwinterungsgesellschaften der Art zusammensetzen, wie genau der Kleinabendsegler verbreitet ist und welche Zugwege genutzt werden. Aufgrund dieser Wissenslücken ist es aktuell nur schwer möglich, Bestandstrends des Kleinabendseglers einzuschätzen und ein geeignetes Schutzprogramm festzulegen. Gleichwohl wird vermutet, dass der Kleinabendsegler etwa durch Habitatverluste und Kollisionsrisiken an Windkraftanlagen aktuell besonders gefährdet ist.

In dem Forschungsprojekt „Erstellung eines Arten-Aktionsplans für den Kleinabendsegler“ sollen Kenntnislücken zur Ökologie des Kleinabendseglers gefüllt werden. Aufgebaut wird dabei auf den Ergebnissen langjähriger Beringungen in Kastengebieten und genetischen Populationsstrukturanalysen. Diese zeigten bereits, dass sich die genetische Struktur von Wochenstuben und Winterkolonien im gleichen Gebiet deutlich unterscheidet. Im laufenden Projekt werden weitere genetische Proben in Wochenstuben-, Paarungs- und Überwinterungsgebieten in ganz Deutschland und dem europäischen Ausland gesammelt und analysiert, um die Populationsstruktur besser zu verstehen. Außerdem soll das Wissen zur Verbreitung der Art durch Datenrecherchen und Workshops zusammengetragen werden. Durch gezielte Kastenkontrollen während milder Tage im Winter soll insbesondere die Winterverbreitung der Art genauer untersucht werden. Anhand von Fang-Wiederfang-Modellierungen aus Beringungsdaten werden Bestandstrends analysiert und ein Monitoringprogramm entwickelt. Außerdem sollen Tiere beim Wegzug aus Sommer- und Wintergebieten telemetriert werden, um die Zugwege zu untersuchen. Dazu werden neuartige Sender verwendet, die durch das Mobilfunknetz registriert werden und sich besonders für die Untersuchung von Zugverhalten eignen.

Die Ergebnisse werden genutzt, um in einem Arten-Aktionsplan Schutz- und Förderungsmaßnahmen für den Kleinabendsegler in Sommer-, Paarungs- und Überwinterungshabitaten sowie auf den Zugstrecken zu erarbeiten. Das Projekt wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert und läuft bis Dezember 2025.

Wir freuen uns über Ihre Mithilfe!
Für die Themen „Verbreitung“ und „Populationsstruktur“ ist das Projekt auf eine breite Kooperation mit den Fledermauskundlern in Deutschland angelegt. Bitte melden Sie sich bei uns, wenn Sie z.B. Kastengebiete betreuen und Winterkontrollen durchführen oder genetische Proben nehmen möchten!

Weitere Infos: www.researchgate.net/project/Leisleri-Project

Johanna Hurst1, Martin Biedermann², Robert Brinkmann1, Markus Dietz³, Inken Karst², Annette Kohnen1 & Wigbert Schorcht²
1 Freiburger Institut für angewandte Tierökologie (FrInaT)
2 NACHTaktiv – Biologen für Fledermauskunde
3 Institut für Tierökologie und Naturforschung (ITN)

Fledermausschutz an Windenergieanlagen – Aktueller Stand und Herausforderungen

Der aktuell geforderte beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien stellt Politik und Naturschutz vor schwerwiegende Entscheidungen. Biodiversitätsverlust und Erderwärmung sind zwei gleichrangige Krisen von großer ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Fledermäuse stehen als bedrohte und streng geschützte Artengruppe im Zentrum dieser Krisen. Dieser Vortrag fasst den aktuellen Wissensstand zum Konflikt zwischen Windenergieausbau und Fledermausschutz unter Würdigung der geänderten Gesetzeslage (Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes, Erneuerbare-Energie-Gesetz, Windenergie-an-Land-Gesetz) zusammen. Eine Einschränkung des Fledermausschutzes auf nationaler Ebene im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie würde den Schutzstatus der windkraftsensiblen Fledermausarten und somit deren Bestände gefährden. Der Individuenschutz an WEA ist weiterhin zwingend notwendig, um kollisionsgefährdete Arten wirksam zu schützen.

Fazit für die Praxis

  • Die Gleichrangigkeit von Biodiversitäts- und Klimakrise erfordert die Umsetzung einer ökologisch-nachhaltigen Energiewende.
  • Der Individuenschutz von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) ist zwingend notwendig und die positive Bestandsentwicklung von windkraftsensiblen Arten ist zu beachten.
  • WEA, die ohne aktive Betriebssteuerung zum Fledermausschutz arbeiten, können zu hohen Schlagopferzahlen führen. Die Implementierung entsprechender Betriebssteuerungen ist sowohl für neue als auch für alte WEA zwingend erforderlich.
  • Waldstandorte für WEA sollten gemieden werden, sofern es alternative Standorte im Offenland gibt. Zudem müssen Lebensraumverluste kompensiert werden, die durch den Bau und Betrieb von WEA in Wäldern aus einem Meidungsverhalten von Fledermäusen entstehen.
  • Ein Mindestabstand von 500m zwischen WEA und Quartierstandorten darf nicht unterschritten werden.
  • Die kumulative Schlagopferzahl von neuen WEA muss im Kontext zu Bestandsanlagen derselben Region betrachtet und entsprechend strikte Betriebssteuerungen umgesetzt werden. Vor allem bei der Betroffenheit von Arten mit negativer Bestandsentwicklung ist dies unerlässlich.
  • Die Zumutbarkeitsschwelle aus der BNatschG Novellierung muss hinsichtlich ihrer Passfähigkeit mit dem Unionsrecht juristisch überprüft werden.
  • Die zeitnahe Wirksamkeit von Artenhilfsprogrammen als Ausgleich für den aktuellen Schlag und Vergrämung von Fledermäusen an WEA wird hinterfragt.

Bezugsquelle: Naturschutz und Landschaftsplanung, Ausgabe 55 (03) | 2023, Seiten 30-35 https://www.nul-online.de/

Markus Melber, Uwe Hermanns & Christian C. Voigt et al., Fledermausschutz an Windenergieanlagen
DOI: 10.1399/NuL.2023.03.03

Erstautorenschaft: Markus Melber, Uwe Hermanns und Christian C. Voigt. Weitere Autoren (alphabetisch):
Lothar Bach, Hartmut Geiger, Christian Giese, Leo Grosche, Ingrid Kaipf, Cosima Lindemann, Falko Meyer, Volker Runkel und Antje Seebens-Hoyer

Niederlande: Das Jahr der Teichfledermaus

Es ist Juni, ein lauer Abend. Es ist endlich dunkel. Auf dem Dach eines gewöhnlichen Hauses in einem gewöhnlichen Dorf in Friesland (NL) bereitet sich die Gruppe auf die Nacht vor. Sie drängen zum Ausgang…. und fliegen dann in die Nacht hinaus. Es handelt sich um eine Kolonie von Teichfledermäusen (Myotis dasycneme), zu Recht die ungewöhnlichste Fledermausart der Niederlande! Mit ihren Füßen fischen sie in vollem Flug unzählige Insekten von der Wasseroberfläche.

Die Teichfledermaus ist weltweit recht selten. Es gibt viel mehr Elefanten auf der Welt als Teichfledermäuse. Aber in den Niederlanden sind sie seit jeher in großer Zahl zu finden. Sie ist eine typische Art für die großen Seen, Kanäle und Marschen, die in den Niederlanden so reichlich vorhanden sind. Das macht die Teichfledermaus zu einem echten niederländischen Aushängeschild, einer Art Uferschnepfe der Nacht!

Nicht weniger als 29 % der Weibchen der europäischen Population bringen ihre Jungen in den Niederlanden zur Welt. Die Weibchen leben in großen Wochenstubengruppen von hundert bis vierhundert Tieren, die sehr standorttreu sind. In den Niederlanden gibt es 65 bis 70 Kolonien, die etwa 175 Gebäude als Wochenstuben nutzen.

Rückgang

In den letzten Jahren hatte die Teichfledermaus zu leiden. Landesweit ist die Zahl der Teichfledermäuse in den Niederlanden seit Jahren rückläufig, von rund 11.700 Tieren im Jahr 1994 auf 7.000 Tiere im Jahr 2021, wobei vor allem in den letzten Jahren ein starker Rückgang zu verzeichnen ist. Es gibt Probleme mit ihrem Nahrungsangebot (Insekten), Mangel an dunklen Bereichen aufgrund unserer Beleuchtung und Verlust von Lebensräumen aufgrund von Isolierungsmaßnahmen für die Energiewende. Und aufgrund der verborgenen, nächtlichen Lebensweise wissen wir noch viel zu wenig über diese Fledermäuse.

Deshalb hat die Säugetiergesellschaft das Jahr 2023 zum Jahr der Teichfledermaus erklärt. Im Jahr der Teichfledermaus rücken die Säugetiergesellschaft, Artis und unzählige Freiwillige die Teichfledermaus ins Rampenlicht (obwohl die Teichfledermaus am liebsten im Dunkeln lebt).

Wir machen auf die Art aufmerksam und sorgen dafür, dass viel mehr Menschen die Teichfledermaus kennen und schätzen lernen.
Wir führen Forschungen durch, um die Lebensweise und die Herausforderungen der Teichfledermaus besser zu verstehen.
Außerdem setzen wir uns bei der Regierung, dem Bausektor und Architekten dafür ein, dass die Teichfledermaus in den Niederlanden wieder zunehmen kann.

Das Herzstück der Organisation ist die Website www.meervleermuis.nl. Hier finden Sie Informationen für jeden Wissensstand (jung, alt, Naturliebhaber, Fachleute oder Interessierte). Außerdem finden Sie hier Kontaktdaten, Pressemitteilungen, Merchandise und Bildmaterial.

Quelle: VLEN (Fledermaus AG Niederlande, https://vleermuis.net/, in Zusammenarbeit mit den Zoogdierenvereniging(Säugetiereverein Niederlande)

https://www.zoogdiervereniging.nl/wat-we-doen/bijzondere-themas/jaar-van

Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen

Gespräche zwischen NABU und LEE ergebnislos eingestellt

Düsseldorf – Klima- und Biodiversitätskrise bedrohen gleichermaßen die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Um dem verfassungsrechtlich begründeten Klimaschutzgebot gerecht zu werden, muss die Energieversorgung flächendeckend auf Erneuerbaren Energien beruhen, indessen darf der hierzu beitragende Ausbau der Windenergie nicht dazu führen, die Biodiversitätskrise zu verschärfen und das Artensterben zu beschleunigen.

In Anerkennung dessen haben NABU und LEE den Versuch unternommen, sich im Interesse eines naturverträglichen Ausbaus der Windenergie in Nordrhein-Westfalen auf einen Katalog von Kriterien für die Auswahl jener Flächen zu verständigen, auf denen sich die Nutzung der Windenergie entfalten kann, ohne ökologisch wertvolle Lebensräume in Anspruch zu nehmen, gefährdete Tierarten zu schädigen oder wichtige Erholungsräume der Bevölkerung in Mitleidenschaft zu ziehen. Die in konstruktiver und in sachlicher Atmosphäre geführten Gespräche wurden nun ergebnislos beendet, nachdem die Landesregierung wesentliche Entscheidungen bereits getroffen hat und nach den Angaben des Umweltministers Oliver Krischer nicht einmal davor Halt machen will, die Windenergienutzung in den künftig noch auszuweisenden Schutzgebieten zu ermöglichen (Presseinformation vom 7. März 2023).

Da derartige Entscheidungen der Landespolitik weitere Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Verbänden nicht mehr als sinnstiftend erscheinen lassen, wurden die Gespräche zwischen NABU und LEE ergebnislos beendet. Das ändert allerdings nichts daran, dass der NABU den Prozess der Identifikation und Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung auf Ebene der Raumordnungsplanung weiterhin kritisch begleiten und sich dafür einsetzen wird, dass die Natur in Nordrhein-Westfalen nicht „unter die (Wind-)Räder kommt“.

Der NABU hält die Forderung uneingeschränkt aufrecht, dass die bereits bestehenden und noch auszuweisenden Gebiete des europäischen Netzes Natura 2000, Nationalparke und Nationale Naturmonumente, Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate, gesetzlich geschützte Biotope, Wildnisentwicklungsgebiete und Naturwaldzellen, sowie die für den Biotopverbund wichtigen Gebiete in Nordrhein-Westfalen, der Windkraftnutzung nicht kurzerhand geopfert werden. Außerdem müssen auf Basis von entsprechenden Fachbeiträgen zu Artenschutz und Windenergie die Schwerpunktvorkommen windenergiesensibler Arten sowohl bei der Verteilung der Flächenbeitragswerte im Landesentwicklungsplan als auch bei der späteren Ausweisung von Windenergiegebieten Berücksichtigung finden.

Mit Rücksicht darauf, dass die Waldfläche pro Einwohner bundesweit rund 1.265 m2 beträgt, während sich der Anteil in Nordrhein-Westfalen lediglich auf 470 m2 pro Einwohner beläuft, setzt sich der NABU für die Erhaltung des Waldes ein, der Erholungsfunktionen für die Bevölkerung sowie bedeutende Klimaschutzfunktionen erfüllt. Auch wenn der erforderliche Ausbau der Windenergie ohne die Inanspruchnahme von Waldflächen nicht auskommen wird, müssen doch jedenfalls die für die Erholung der Bevölkerung wichtigen und ökologisch wertvollen Laub- und Mischwälder vor den negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung unabhängig davon geschützt werden, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt durch Windwurf, Käferfraß oder Dürre geschädigt worden sind.

Der beschleunigte Ausbau der Windenergie entspricht fraglos einem öffentlichen Interesse von besonderem Gewicht. Nichts anderes gilt aber für den Schutz der Biodiversität einschließlich der Vielfalt der Lebensräume und Arten. In diesem Sinne wird sich der NABU auch weiterhin im Interesse der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen in Nordrhein-Westfalen dafür stark machen, dass sich die Nutzung der Windenergie hierzulande in naturverträglichen Bahnen vollzieht.

Neue Fledermausart in Österreich entdeckt

Fledermausforscher:innen gelingt Erstnachweis der Steppen-Bartfledermaus (Myotis davidii) in Österreich

 Klagenfurt, Leonding, Wien, Berlin – Im Zuge von Erhebungsarbeiten im Rahmen des Projektes Smart Environment / Natura 2000 Living Lab (SENAL 2000) entdeckten Mitarbeiter:innen der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) und der Arge NATURSCHUTZ im Europaschutzgebiet Lendspitz-Maiernigg, Klagenfurt eine für Österreich neue Fledermausart.

Obwohl die ersten Individuen bereits 2020 gefangen werden konnten, dauerte es länger bis dieser Erstnachweis auch genetisch abgesichert und publiziert werden konnte“ berichtet Markus Milchram, Mitarbeiter der KFFÖ und der Universität für Bodenkultur, Wien.

Da die Steppen-Bartfledermaus gemeinsam mit der weit verbreiteten Bartfledermaus einem morphologisch kaum differenzierten Artkomplex angehört, war es notwendig, den Nachweis mittels genetischer Methoden zu bestätigen. Dieser war eine besondere Herausforderung. „Beide Arten hybridisieren gelegentlich, was die Suche nach artspezifischen genetischen Markern erschwerte“, erläutert Frieder Mayer vom Museum für Naturkunde in Berlin, wo die genetischen Analysen durchgeführt wurden.

Guido Reiter, Leiter der KFFÖ, ergänzt: „Wir haben nach dieser Art in den letzten Jahren bereits an mehreren Orten in Südösterreich gesucht. Der Nachweis in Klagenfurt kam überraschend, da der Fundort in einem von uns bereits früher fledermauskundlich untersuchten Gebiet liegt.

Überraschend war nicht nur der Erstnachweis der Art, sondern der Fund einer Kolonie, der mittels Radio-Telemetrie gelang.

Um herauszufinden ob die Art in Österreich bislang „übersehen“ wurde, entwickelten die Forscher in Zusammenarbeit mit Christian Dietz, Deutschland, Kriterien welche die Unterscheidung auf Basis äußerer Merkmale ermöglicht. Anhand dieser Kriterien wurden die in der Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien lagernden Exemplare der Schwesternart, der Bartfledermaus (Myotis mystacinus), nachbestimmt. Dabei konnte kein Individuum der Steppen-Bartfledermaus zugeordnet werden. „Wir gehen davon aus, dass die Steppen-Bartfledermaus noch nicht lange Teil der Fledermausfauna in Österreich ist und die Art sich wohl Richtung Norden ausbreitet“, erklärt Markus Milchram.

Klaus Krainer, Geschäftsführer der Arge NATURSCHUTZ, betont, dass die Entdeckung einer für Österreich neuen Fledermausart in Zeiten der Biodiversitätskrise sehr bemerkenswert und wichtig ist. „Denn nur was man kennt, kann man auch schützen“, erläutert der Fledermausschützer.

In den letzten Jahren scheinen sich die Bestände mancher Fledermausarten wieder zu erholen“, erläutert Guido Reiter die derzeitige Situation der fliegenden Säugetiere in Österreich. Aber durch Insektensterben, Klimaerwärmung und fortschreitende Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft kann sich dieser positive Trend sehr schnell wieder umkehren.

Dabei spielen unsere heimischen Fledermäuse eine wichtige Rolle in unseren Ökosystemen. Als Nützlinge vertilgen sie große Mengen Schädlinge in der Land- und Forstwirtschaft und für uns Menschen lästige oder sogar Krankheiten übertragende Insekten. „Erste Nahrungsanalysen zeigen, dass die Steppen-Bartfledermäuse Stechmücken, darunter auch die invasive Asiatische Buschmücke fressen und damit Gegenspieler dieser Insekten sein könnten“, erläutert Milchram.

Foto: Steppen-Bartfledermaus (Myotis davidii), Klaus Krainer

www.fledermausschutz.at

Publikation: http://www.italian-journal-of-mammalogy.it/Moving-north-Morphometric-traits-facilitate-monitoring-of-the-expanding-steppe-whiskered,161905,0,2.html

 

  • Die Koordinationsstelle für Fledermausschutz und – forschung in Österreich (KFFÖ) ist ein international ausgezeichneter, gemeinnütziger Verein. Seit nunmehr 20 Jahren ist die KFFÖ in Sachen Fledermausschutz und Fledermausforschung in Österreich aktiv. Als Mitglied von BatLife Europe setzt sich die KFFÖ zudem „grenzenlos“ für die Fledermäuse in Europa ein.
  • Die Arge NATURSCHUTZ ist ein gemeinnütziger Verein zur Sicherung, Entwicklung und Förderung des Naturschutzes in Österreich. Sie versteht sich als Naturschutz-Anlaufstelle für alle Bürger, Gemeinden, Organisationen, Firmen, Ämter und Behörden, die sich für die vielfältigen Naturschutzaufgaben und -themen interessieren. https://www.arge-naturschutz.at/startseite
  • Die Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Zoologie Das Institut für Zoologie konzentriert sich in Forschung und Lehre auf Tierökologie und Organismische Biologie. https://boku.ac.at/dib/zoology/institutsprofil
  • Der Lakeside Science & Technology Park am Europaschutzgebiet Lendspitz-Maiernigg ist ein international anerkanntes Innovationszentrum im Bereich der IKT für Forschung & Entwicklung, Unternehmen und Bildung und setzt sich (u.a. durch Projekte wie SENAL 2000) verstärkt für Biodiversität und Nachhaltigkeit ein. lakeside-scitec.com
  • Das Museum für Naturkunde Berlin ist ein Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft und auf drei eng miteinander verzahnten Feldern tätig: der sammlungsgestützen Forschung, der Sammlungsentwicklung und -erschließung und der forschungsbasierten Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. https://www.museumfuernaturkunde.berlin/de

Fledermäuse bilden mobile sensorische Netzwerke

Für Beutegreifer, die auf kurzlebige Beutetiere angewiesen sind, wie z. B. Insektenfresser, die aus der Luft jagen, gleicht die Suche nach Beute der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Der globale Wandel und der daraus resultierende Rückgang der Insekten und die Zerstörung der Lebensräume machen die Suche nach ihrer Beute zu einer noch größeren Herausforderung. Die simultane funkgestützte Verfolgung von Abendseglern legt nahe, dass soziale Strategien der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung sein könnten. Bei der Suche nach Insekten passten die Fledermäuse ihre Bewegungen an ihre Nachbarn an, was auf die Bildung mobiler sensorischer Netzwerke schließen lässt. Ein Simulationsmodell bestätigte, dass das beobachtete Verhalten zu einer erhöhten Sucheffizienz führt, wenn die Beute ungleichmäßig verteilt ist. Das Modell zeigte jedoch auch, dass mobile sensorische Netzwerke instabil werden, wenn die Gruppe zu klein wird, was auf synergistische negative Auswirkungen des Rückgangs lokaler Populationen hinweist.

Tiere, die von kurzlebiger, unregelmäßig verteilter Beute abhängig sind, nutzen häufig öffentliche Informationen, um Ressourcenfelder zu finden. Die Nutzung öffentlicher Informationen kann dazu führen, dass sich Fressfeinde an Beutestellen versammeln, ein Mechanismus, der als lokales Enhancement bekannt ist.

Wenn kurzlebige Ressourcen jedoch über große Gebiete verteilt sind, müssen die Fressfeinde möglicherweise auch die Sucheffizienz erhöhen und daher soziale Strategien bei der Erkundung der Landschaft anwenden. Während sensorische Netzwerke von visuell orientierten Tieren bereits bestätigt wurden, wissen wir nicht, wie akustisches Abhören zur Bildung sensorischer Netzwerke beiträgt. In diesem Projekt haben wir insgesamt 81 Fledermäuse mit sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung während fünf Sessions über 3 Jahre per Funk verfolgt und dabei bis zu 19 Individuen gleichzeitig aufgezeichnet. Analysen des interaktiven Flugverhaltens liefern schlüssige Beweise dafür, dass Fledermäuse temporäre mobile sensorische Netzwerke bilden, indem sie ihre Bewegungen auf benachbarte Artgenossen abstimmen, während sie den Luftraum nach Beute absuchen.

Ergänzende Simulationen bestätigten, dass die beobachteten Bewegungsmuster zur Bildung mobiler sensorischer Netze führen können und dass Fledermäuse Beutetiere schneller finden, wenn sie sich vernetzen, als wenn sie sich nur auf lokale Verstärkung verlassen oder alleine suchen. Allerdings nahm der Nutzen der Vernetzung mit abnehmender Gruppengröße ab. Die Kombination aus empirischen Analysen und Simulationen verdeutlicht, wie Tiergruppen akustische Informationen nutzen, um unvorhersehbare und flüchtige Nahrungsflächen effizient zu lokalisieren. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass schrumpfende lokale Populationen sozialer Futtersammler unter Allee-Effekten leiden können, die das Risiko eines Zusammenbruchs unter globalen Veränderungsszenarien wie Insektenrückgang und Lebensraumverschlechterung erhöhen.

Manuel Roeleke roeleke@uni-potsdam.de, Ulrike E. Schlägel, Cara Gallagher, Jan Pufelski, Torsten Blohm, Ran Nathan, Sivan Toledo, Florian Jeltsch, Christian C. Voigt

Quelle: https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2203663119

 

Windräder in Wäldern beeinträchtigen bedrohte Fledermausarten

Um Klimaschutzziele zu erreichen, boomt in Deutschland der Ausbau erneuerbarer Energien – insbesondere der Windkraft. Mehr als 30.000 Anlagen wurden bislang auf dem Festland installiert, jetzt beginnt ein Ringen um weitere, rarer werdende, geeignete Standorte. So rücken auch Wälder als Standorte in den Fokus. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies jetzt in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Current Biology“ nach, dass die Windenergieerzeugung an diesen Standorten mit erheblichen Nachteilen verbunden für bedrohte Fledermausarten sein könnte: Große Abendsegler (Nyctalus noctula) haben ein hohes Kollisionsrisiko und sind vermehrt an Windkraftanlagen in Wäldern anzutreffen, wenn diese in der Nähe von ihren Quartieren stehen. Fern der Quartiere meiden Große Abendsegler jedoch die Anlagen, was praktisch zu einem Lebensraumverlust für diese Art führt.

Große Abendsegler leiden den Ergebnissen der Untersuchung nach doppelt unter dem Windenergieausbau im Wald: Sie sind der wachsenden Gefahr ausgesetzt, mit den Anlagen zu kollidieren und dadurch getötet zu werden, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren gebaut werden, und sie verlieren einen Teil ihres Jagdlebensraumes, da sie die Anlagen fern ihrer Quartiere meiden. In ihrem Aufsatz folgert das Team aus den Resultaten, dass der Windkraftausbau in Wäldern mit großer Sorgfalt und Umsicht erfolgen muss. Zu Quartierstandorten von Fledermäusen sollte ein Mindestabstand von 500 m eingehalten und der verursachte Lebensraumverlust kompensiert werden, indem an anderer Stelle Wälder aus der Nutzung genommen werden.

Die Windenergieproduktion ist ein wichtiges Standbein für die Energiewende in Deutschland und leistet einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Mehr als acht Prozent der Windkraftanlagen in Deutschland befinden sich bereits in Wäldern. Ihr Anteil soll in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, weil geeignete Standorte in der offenen Fläche rar werden. „In Wäldern kommt eine Vielzahl von Fledermausarten vor, da es hier viele Baumquartiere und zudem viele geeignete Jagdlebensräume mit hohen Insektenvorkommen gibt“, sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Darunter sind auch Arten wie der Große Abendsegler, der in Deutschland am häufigsten an Windkraftanlagen zu Tode kommt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz nehmen die Bestände dieser Art deutschlandweit ab. Es ist deshalb dringend geboten, die Interaktion der Fledermäuse mit den Windkraftanlagen im Wald genauer unter die Lupe zu nehmen.

Voigt und seine Kolleg:innen untersuchten das Raumnutzungsverhalten von Großen Abendseglern mit Hilfe miniaturisierter GPS-Logger. Diese Logger dokumentierten die Flugpfade von 60 Großen Abendseglern mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung über 1-2 Nächte, bevor die Logger selbständig wieder vom Tier abfielen. „Wir stellten fest, dass Große Abendsegler besonders dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Windkraftanlagen anflogen, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren standen“, sagt Voigt. Fledermäuse nutzen exponierte Strukturen oftmals als sozialen Treffpunkt. Vermutlich fliegen sie deshalb vermehrt Windkraftanlagen über den Baumkronen an, wenn die Anlagen in der Nähe von Quartieren stehen. Dies birgt ein hohes Risiko für die Tiere, mit den Rotorblättern zu kollidieren. „Windkraftanlagen müssten demnach in ausreichender Entfernung zu bestehenden Baumquartieren aufgestellt werden“, fordert Christine Reusch, Erstautorin des Aufsatzes. „Da Quartiere jedoch auch neu entstehen können, besteht die Gefahr, dass vermeintlich sichere Windkraftanlagen, die während der Genehmigungsphase in ausreichend großem Abstand zu Fledermausquartieren aufgestellt wurden, später zur Todesfalle werden“, schließt Reusch.

Die Autor:innen stellten auch fest, dass die Großen Abendsegler jenseits von Baumquartieren die Windkraftanlagen mieden. Hierzu führten sie eine Datenanalyse durch, in der alle Ortungen in der Nähe von Quartieren unberücksichtigt blieben. Diese Analyse ergab, dass Fledermäuse jenseits von Quartieren Windkraftanlagen meiden. „Was sich nach einer guten Nachricht anhört, birgt auch ein Problem“, sagt Voigt. „Durch das Meidungsverhalten verlieren Große Abendsegler wichtige Jagdlebensräume.“ Die Forschenden empfehlen daher, Windkraftanlagen erstens nicht in Wäldern aufzustellen und zweitens besonders achtsam zu sein, falls es keine Alternativen gibt. Es sollte ein Mindestabstand von 500 m zwischen Windkraftanlagen und bekannten Fledermausquartieren in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden und der Lebensraumverlust in der Nähe der Windkraftanlagen an anderer Stelle kompensiert werden. Ein naturverträglicher Ausbau ist angesichts der komplexen Interaktion der Fledermäuse an Windkraftanlagen in Wäldern eine große Herausforderung, so Voigt und Reusch.

Publikation: Reusch C, Paul AA, Fritze M, Kramer-Schadt S, Voigt CC (2022): Wind energy production in forests conflicts with tree-roosting bats. Current Biology. DOI: 10.1016/j.cub.2022.12.050.

Quelle: https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/kollisionsrisiko-und-lebensraumverlust-windraeder-in-waeldern-beeintraechtigen-bedrohte-fledermausarten.html

Download: https://www.researchgate.net/publication/367318905_Wind_energy_production_in_forests_conflicts_with_tree-roosting_bats

Zählen im Dunkeln: Populationsgröße und Bestandsentwicklung mit Hilfe von Lichtschranken im Winterquartier abschätzen

Genaue Populationsschätzungen sind für die Entwicklung einer erfolgreichen Naturschutzpolitik von entscheidender Bedeutung, aber die zugrundeliegenden Daten sind für viele Arten nach wie vor schwer zu erheben. Dies gilt insbesondere für schwer fassbare Arten wie Fledermäuse der gemäßigten Zonen, deren Population durch visuelle Zählungen in den Winterquartieren in einem unbekannten Ausmaß unterschätzt wird. Infrarot-Lichtschranken, die alle ein- und ausfliegenden Fledermäuse am Eingang eines Winterquartiers zählen, könnten eine genauere Alternative für die Bestandserfassung von Fledermäusen darstellen.

Wir haben Infrarot-Videoaufnahmen verwendet, um die Genauigkeit der Lichtschranken (d. h. die Übereinstimmung zwischen Lichtschranke und Videoregistrierung der Ein- und Ausflüge) an fünf Winterschlafplätzen über einen Zeitraum von 30 Wochen im Herbst und Frühjahr zu ermitteln. Anschließend entwickelten wir eine standardisierte Methode zur Schätzung der Populationsgröße auf der Grundlage der Anzahl der im Frühjahr ausfliegenden Fledermäuse und verglichen diese Schätzungen mit visuellen Zählungen an 12 Standorten.

Schließlich berechneten wir Konfidenzintervalle um die geschätzten Populationsgrößen und nutzten diese zur Bewertung von Populationstrends anhand von Lichtschranken-Datensätzen aus sechs Jahren von vier Standorten. Die Genauigkeit der Lichtschranken variierte in Abhängigkeit vom Modell und dem präzisen Installationspunkt, wobei die beste Kombination eine nahezu perfekte Genauigkeit über die gesamte Phase der Abwanderung aus dem Winterquartier ergab.

Im Vergleich zu den sich daraus ergebenden lichtschrankenbasierten Populationsschätzungen unterschätzten die Winterquartierzählungen die Gesamtpopulation deutlich, wobei an den komplexesten Standorten weniger als 10 % der Fledermäuse erfasst wurden. Darüber hinaus zeigten die auf Lichtschranken basierenden Populationstrends regionale Zu- und Abnahmemuster, die bei den visuellen Zählungen nicht erkennbar waren.

Diese Studie zeigt, dass Lichtschranken die Populationsgröße und -entwicklung von Fledermausbeständen mit beispielloser Genauigkeit abschätzen können, selbst an großen, komplexen oder unzugänglichen Überwinterungsquartieren, die mit visuellen Zählungen nicht genau erfasst werden können. Die Installation von Lichtschranken an einem repräsentativen Netz von Standorten, an denen keine groß angelegten Veränderungen am Eingang erforderlich sind, hat das Potenzial, die Bestandsüberwachung von Fledermäusen zu revolutionieren und zum datengestützten Naturschutz beizutragen.

Lesen Sie hier die Publikation: https://doi.org/10.1111/acv.12856

 

Publikation:
Counting in the dark: estimating population size and trends of bat assemblages at hibernacula using infrared light barriers

G. Krivek, E. P. N. Mahecha, F. Meier, G. Kerth, J. van Schaik
First published: 13 February 2023
https://doi.org/10.1111/acv.12856

Worin unterscheidet sich eine Stadtfledermaus von einer Landfledermaus?

Manche Fledermausarten kommen eher in Städten als auf dem Land vor. Ein Wissenschaftsteam der Freien Universität Berlin, der Universität Greifswald, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte nun, welche Merkmale typisch für Fledermäuse des städtischen und ländlichen Raums sind. Das Team fand heraus, dass sich stadtaffine Fledermausarten durch niedrige Ruffrequenzen und relativ lange Rufdauern ihrer Echoortung, eine geringe Körpergröße und eine Flexibilität bei der Wahl des Tagesquartieres auszeichnen. Die zunehmende Urbanisierung des ländlichen Raums könnte diese Arten begünstigen, während relativ große Arten mit hoher Ruffrequenz und kurzen Rufdauern sowie spezifischer Quartierwahl ins Hintertreffen geraten könnten, argumentiert das Autorenteam in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“.

Städte sind für viele Wildtiere Extremstandorte mit höheren Umgebungstemperaturen als im direkten Umland und einer Vielzahl von durch den Menschen verursachten Störungen. Gleichzeitig bieten Städte auch viel Potenzial für Wildtiere, etwa bei der Suche eines Quartieres oder durch ein erweitertes Nahrungsangebot. So nutzen einige Fledermausarten bevorzugt Quartiere an oder in Gebäuden, beispielsweise auf nicht genutzten Dachböden, in Kellern oder in leerstehenden Häusern. Einige Fledermausarten erreichen in Städten besonders hohe Populationsdichten, während sie in ländlichen Räumen eher selten sind. Was macht aber eine Stadtfledermaus zu einer Stadtfledermaus, und eine Landfledermaus zu einer Landfledermaus? In welchen Merkmalen unterscheiden sich die stadtbewohnenden von den landbewohnenden Arten?

Anhand mehrerer Indizes untersuchten wir eine globale Datenbank von Fledermausarten hinsichtlich ihrer räumlichen Nähe zu städtischen Gebieten und leiteten daraus einen Wert für die Stadtaffinität jeder Art ab“, erklärt Erstautor Janis Wolf, aus dessen Masterarbeit in der Arbeitsgruppe von Prof. Jonathan Jeschke an der Freien Universität Berlin und dem IGB diese Publikation entstanden ist und der nun an der Universität Greifswald promoviert. „Wir nutzten verschiedene Indikatoren, um stadtaffine von weniger stadtaffinen Arten zu differenzieren. Anschließend analysierten wir, welche Merkmale der Arten – zum Beispiel die durchschnittliche Körpergröße, die Flügelform, die Frequenz ihrer Echoortungsrufe oder die Flexibilität bei der Wahl des Schlafplatzes – mit der jeweiligen Raumpräferenz und Lebensweise korrelieren.

Basierend auf den Merkmalen und Raumdaten von 356 weltweit verbreiteten Fledermausarten (ein Viertel der 1.400 Fledermausarten auf unserem Planeten) ermittelte das Team, ob die jeweilige Art eher im städtischen oder eher im ländlichen Raum ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. „Natürlich lagen die meisten Fledermausarten entlang eines Kontinuums, das reine stadtbewohnende Fledermausarten von jenen unterschied, die eher im ländlichen Gebieten wohnten“, erläutert PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Wir stellen fest, dass besonders kleine Fledermausarten, und solche deren Echoortungsrufe relativ niedrigfrequent und lang waren, besonders häufig in Städten vorkommen“, so Voigt. Eine flexible Quartierwahl scheint ebenso vorteilhaft zu sein, da dies stadtbewohnenden Fledermäusen erlaubt, bei Störungen durch den Menschen kurzfristig zwischen verschiedenen Quartierstypen zu wechseln.

Im Rahmen ihrer Studie verwendete das Team verschiedene Indikatoren zur Beschreibung der Affinität von Fledermäusen für städtische Umgebungen. „Nachdem wir mehrere methodische Ansätze zur Quantifizierung der Stadtaffinität von Arten getestet hatten, stellten wir fest, dass die einfacheren Indizes ebenso gut waren wie die komplexeren. In der Praxis sollten die einfacheren Indizes daher die bevorzugte Wahl für künftige Studien sein„, schließt Dr. Yuval Itescu vom IGB und der Freien Universität Berlin. Damit ist es nun möglich, die entsprechenden Indizes für die urbane Affinität auch auf andere Tiergruppen anzuwenden. Die Autoren argumentieren, dass die Identifizierung von Merkmalen, die erfolgreiche und weniger erfolgreiche Stadtbewohner kennzeichnen, nützlich sein kann, um diejenigen Arten zu identifizieren, die durch den weltweit rasch fortschreitenden Urbanisierungsprozess besonders bedroht sind. Solche Arten können anschließend für Schutzmaßnahmen priorisiert werden.

Publikation

Wolf JM, Jeschke JM, Voigt CC, Itescu, Y (2022): Urban affinity and its associated traits: a global analysis of bats. Global Change Biology. https://doi.org/10.1111/gcb.16320

Die Klangwelt des Schwärmens

Machbarkeitsstudie für eine nicht-invasive akustische Artbestimmung von schwärmenden Myotis-Fledermäusen

Fledermäuse senden Echoortungsrufe aus, um sich in ihrer überwiegend dunklen Umgebung zu orientieren. Die Aufzeichnung artspezifischer Rufe kann die Identifizierung von Arten erleichtern, insbesondere dann, wenn die Verwendung von Fangnetzen nicht möglich ist. Einige Arten, wie z. B. Myotis-Fledermäuse, können jedoch akustisch schwer zu unterscheiden sein. In stark frequentierten Situationen, in denen sich die Rufe vieler Individuen überschneiden, werden die feinen Unterschiede zwischen den Arten zusätzlich gemindert.

Wir haben versucht, die Phänologie von Myotis-Fledermäusen während des herbstlichen Schwärmens in einem bekannten Überwinterungsquartier nicht invasiv zu untersuchen. Dazu haben wir in Nächten mit hoher Schwarmaktivität Sequenzen sich überlappender Echoortungsrufe (N = 564) aufgezeichnet und spektrale Parameter (Spitzenfrequenz, Startfrequenz, spektraler Schwerpunkt) sowie lineare Frequenz-Cepstral-Koeffizienten (LFCCs) extrahiert, die zusätzlich die Klangfarbe der Rufe umfassen. Wir verwendeten diese Parameterkombination in einer schrittweisen diskriminanten Funktionsanalyse (DFA), um die Rufsequenzen auf Artniveau zu klassifizieren. Ein Satz zuvor identifizierter Rufsequenzen von einzeln fliegenden Myotis daubentonii und Myotis nattereri, den häufigsten Arten an unserem Untersuchungsort, diente als Trainingssatz für die DFA. 90,2 % der Rufsequenzen konnten entweder M. daubentonii oder M. nattereri zugeordnet werden, was darauf hindeutet, dass es sich um die zum Zeitpunkt der Aufzeichnung überwiegend schwärmenden Arten handelt.

Wir haben unsere Ergebnisse überprüft, indem wir den zweiten Satz zuvor identifizierter Rufsequenzen mit einer Genauigkeit von 100 % korrekt klassifiziert haben. Darüber hinaus stimmt unsere akustische Artenklassifizierung gut mit dem vorhandenen Wissen über die Schwarm-Phänologie im Winterquartier überein. Außerdem konnten wir Rufsequenzen aus einem anderen Winterquartier erfolgreich auf Artniveau klassifizieren und unsere Klassifizierungsergebnisse verifizieren, indem wir schwärmende Fledermäuse während der Aufnahme gefangen haben.

Unsere Ergebnisse liefern den Beweis für ein neues, nicht-invasives akustisches Überwachungsverfahren, das „Schwarmklanglandschaften“ durch die Kombination klassischer akustischer Parameter und LFCCs analysiert, anstatt einzelne Rufe zu analysieren. Unser Ansatz zur Artenbestimmung ist besonders in Situationen mit mehreren rufenden Individuen von Vorteil, wie z. B. beim Schwärmen im Herbst.

 

The soundscape of swarming: Proof of concept for a noninvasive acoustic species identification of swarming Myotis bats
Anja BergmannLara S. BurchardtBernadette WimmerKarl KugelschafterFlorian Gloza-RauschMirjam Knörnschild

First published: 14 November 2022
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