Alle europäischen Fledermausarten reagieren sensibel auf künstliches Licht

– dies variiert jedoch zwischen Artengruppen und Lebensräumen

Die künstliche Erhellung der Nacht durch Lampen gilt als zentrale zivilisatorische Errungenschaft mit unzähligen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Vorteilen für den Menschen. Für viele Tiere stellt jedoch die Erhellung der Nacht eine erhebliche Herausforderung dar. Nachtaktive oder lichtscheue Arten werden gezwungen, auf dunkle Bereiche auszuweichen oder ihr Verhalten an die Helligkeit anzupassen. In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „BioScience“ gibt ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) einen umfassenden Überblick über die Effekte von künstlichem Licht auf europäische Fledermausarten. Es stellt sich heraus, dass insbesondere jene Arten, die in engen Habitaten wie Wäldern jagen, sehr sensibel auf künstliches Licht reagieren. Fledermäuse, die an Waldrändern oder in offenen Gebieten jagen, sind hingegen etwas toleranter gegenüber künstlichem Licht. An Tagesquartieren oder Trinkstellen sind aber alle untersuchten Arten besonders lichtscheu.

Für die Untersuchung analysierten die Wissenschaftler:innen die wissenschaftliche Literatur zur Reaktion von insektenfressenden Fledermäusen auf künstliches Licht bei Nacht (articifial light at night, ALAN). Dabei differenzieren sie nach funktionellen Gruppen von Fledermausarten und nach ökologischen Kontexten. Sie folgten der üblichen Einteilung europäischer Fledermausarten in drei Artengruppen mit einer ähnlichen Lebensweise: Arten die in strukturdichten Habitaten wie Wälder Insekten jagen; Arten, die an Strukturrändern in der Nähe von Objekten nach Insekten suchen (beispielsweise an Gebäuden oder an Waldrändern); sowie Arten, die im offenen Luftraum über Wiesen und Felder, Gewässer oder oberhalb der Baumkronen ihrer Beute nachstellen. Diese Gruppen haben für ihr Jagdhabitat jeweils passende funktionale Eigenschaften, beispielsweise bei der Echoortung oder der Flügelform, entwickelt. Darüber hinaus überprüften die Wissenschaftler:innen in welcher Weise die drei Artengruppen auf künstliches Licht in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebensraum (Lage der Tagesquartiere, Flugkorridore, Lage der Jagdgebiete oder Trinkstellen) reagierten.

Die Analysen ergaben ein komplexes, aber konsistentes Bild, so Erstautor PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Prinzipiell reagieren alle europäischen Fledermausarten äußerst sensibel auf künstliches Licht, vor allem in der Nähe von Tagesquartieren und Trinkstellen“, so Voigt. „Dies lässt sich damit erklären, dass die Anwesenheit von Fledermäusen an diesen Stellen für Beutegreifer wie Eulen vorhersagbar ist und die Fledermäuse daher dort besonders vorsichtig sind.“ In Flugkorridoren, die beispielsweise Tagesquartiere und Jagdgebiete verbinden, ist die Reaktion variabler. Viele Arten (insbesondere jene, die in Wäldern oder an Strukturrändern jagen) meiden auch hier das Licht und weichen auf Dunkelkorridore aus, wenn künstliches Licht die Nacht erhellt. Andere Arten hingegen lassen sich in solch einer Situation nicht durch künstliches Licht vergrämen, werden durch die Beleuchtung aber auch nicht angezogen. „Bei den Jagdgebieten offenbaren sich zwei unterschiedliche Reaktionsmuster“, sagt Dr. Daniel Lewanzik, Wissenschaftler in Voigts Abteilung und Koautor des Aufsatzes. „Manche Arten, die im offenen Luftraum oder an Strukturrändern jagen, werden vom Insektenreichtum an Lichtquellen angezogen. Man kann sie im Sommer manchmal dabei beobachten, wie sie von einer Straßenlaterne zur nächsten fliegen und dort Insekten jagen. Waldbewohnende Arten hingegen meiden Lichtquellen generell, auch bei der Insektenjagd.“ Für alle Arten gelte, dass bei künstlichem Licht das Risiko, selbst Opfer eines Beutegreifers zu werden, mit den möglichen Vorteilen abgewogen wird – unterschiedliche funktionale Gruppen kommen offenkundig zu unterschiedlichen Ergebnissen bei dieser Abwägung.

Voigt und seine Koautor:innen plädieren dafür, diese differenzierten Erkenntnisse stärker beim Fledermausschutz zu berücksichtigen. Dies bedeute beispielsweise, (potenzielle) Tagesquartiere und Trinkstellen konsequent vor künstlichem Licht zu schützen und Schutzmaßnahmen insbesondere auf jene Arten auszurichten, die auch bei der Jagd keinen Nutzen von Beleuchtung hätten. Da der „Nutzen“ der nächtlichen Beleuchtung  aber auf bestimmte Orte und Tätigkeiten beschränkt ist, würden alle Arten profitieren, wenn die Lichtverschmutzung reduziert würde und Dunkelkorridore (beispielsweise städtische Parks) konsequent dunkel blieben und neue Dunkelinseln in der Stadtlandschaft etabliert würden.

Publikation

Voigt CC, Dekker J, Fritze M, Gazaryan S, Hoelker F, Jones G, Lewanzik D, Limpens HJGA, Mathews F, Rydell J, Spoelstra K, Zagmajster M (2021): The impact of light pollution on bats varies according to foraging guild and habitat context. BioScience, Volume 71, Issue 10, October 2021, Pages 1103–1109, DOI: 10.1093/biosci/biab087

Kontakt

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin, Germany

PD Dr. Christian Voigt
Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Tel: +49 30 5168 511
E-Mail: voigt@izw-berlin.de

Dr. Daniel Lewanzik
Wissenschaftler in der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
E-Mail: lewanzik@izw-berlin.de

Jan Zwilling
Wissenschaftskommunikation
Tel: +49 30 5168 121
E-Mail: zwilling@izw-berlin.de

LED-Beleuchtung kann mehr Insektenschwund verursachen als andere Lampen

In einer kürzlich in Science Advances veröffentlichten Studie untersuchten Boyes und seine Kollegen, im „Thames Valley“ in Großbritannien, wie sich Licht auf Insekten auswirkt. Sie verglichen die Anzahl der Raupen in den beleuchteten und unbeleuchteten Bereichen.

Noch bevor die Wissenschaftler die Daten eingehend analysierten, konnten Boyes und seine Co-Autoren einen großen Unterschied zwischen beleuchteten und unbeleuchteten Bereichen feststellen. In den beleuchteten Bereichen fanden sich manchmal nur halb so viele Insekten wie in den unbeleuchtete Bereichen.

Der Rückgang der Insektenpopulationen hat weltweite große Besorgnis ausgelöst, wobei künstliches Licht bei Nacht als ein potenzieller Faktor identifiziert wurde. Trotz starker Hinwesie dafür, dass Beleuchtung die Häufigkeit von Insekten verringert, sind die empirischen Beweise dafür begrenzt. Boyes und seine Kollegen fanden herraus, dass Straßenbeleuchtung die Häufigkeit von Mottenraupen im Vergleich zu unbeleuchteten Standorten stark reduzierte (47% weniger an Hecken und 33% weniger an Grasrändern) und die Entwicklung von Raupen beeinflusste. Ein separates Experiment in Habitaten ohne Beleuchtungsgeschichte ergab, dass künstliches Licht bei Nacht das Fressverhalten nachtaktiver Raupen störte.

Die negativen Auswirkungen waren bei Straßenlaternen mit weißen Leuchtdioden (LED) stärker ausgeprägt als bei herkömmlichen gelben Natriumdampflampen. Dies deutet darauf hin, dass künstliches Licht bei Nacht und der anhaltende Wandel hin zu weißen LEDs (d. h. Schmal- bis Breitbandbeleuchtung) erhebliche Konsequenzen für Insektenpopulationen und Ökosystemprozesse haben werden.

Download: https://eprints.ncl.ac.uk/file_store/production/276723/6BB73D04-0287-4211-AFB8-999A18F674F8.pdf

Quelle:
Street lighting has detrimental impacts on local insect populations
Douglas H. Boyes, Darren M. Evans, Richard Fox, Mark S. Parsons and Michael J. O. Pocock
DOI: 10.1126/sciadv.abi8322
26. August 2021

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