Baumquartiere: Maßnahmen bei vorhabenbedingter Zerstörung
Hinweisblatt der Koordinationsstellen für Fledermausschutz in Bayern zu artenschutzrechtlichen Maßnahmen für vorhabenbedingt zerstörte Fledermausquartiere. Das Hinweisblatt bietet für Eingriffsverursacher, Planungsbüros und Genehmigungs- und Fachbehörden eine wichtige Planungsgrundlage. Gleichwohl kann es erforderlich werden, die konkreten Umsetzungshinweise für den Einzelfall anzupassen. Hier sollte eine frühzeitige Abstimmung zwischen dem Planungsbüro und den Naturschutzbehörden erfolgen. Das Hinweisblatt ist als Hilfestellung zu verstehen und weder allgemein- noch behördenverbindlich.
Sind in einem Wald Fledermäuse und Bäume mit Quartierstrukturen (Höhlen, Spalten) vorhanden, ist davon auszugehen, dass alle diese Strukturen essenzielle Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Fledermäusen sind. Denn es kann in der Regel nicht belegt werden, dass ein Quartier nicht genutzt wird. Werden durch Eingriffe Bäume mit Quartierstrukturen beseitigt, müssen daher die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) beachtet werden: Tötungsverbot, Störungsverbot und Schädigungsverbot. Auch eine Entwertung von Quartieren (z. B. wenn künstliches Licht die weitere Nutzung einer Baumhöhle verhindert) entspricht rechtlich einer Beschädigung oder Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Vermeidungsmaßnahmen, vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF), Maßnahmen zur Minderung der Eingriffsfolgen und populationsstützende Maßnahmen (FCS) verhindern einen Verstoß gegen diese Verbote bzw. reduzieren negative Auswirkungen eines Vorhabens.
Erfassung der Quartiere
Vor dem Eingriff ist stets eine Erfassung potenzieller Quartierbäume und Baumquartiere durch eine fledermauskundlich erfahrene Fachkraft durchzuführen.
Vermeidung einer Zerstörung/Entwertung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten
Eine Zerstörung von Quartieren an/in Bäumen kann vermieden werden durch:
- Verringerung des Eingriffsbereichs und -umfangs
- Entlastungschnitt ohne Beeinträchtigung der Quartierstrukturen
- Köpfen geeigneter, ausschlagfähiger Bäume oberhalb der Quartierstrukturen
Eine Entwertung von Quartierkomplexen durch Eingriffe im Umfeld lässt sich z. B. durch Abschattung der Quartiere (bei Gefahr einer Aufhellung) oder Aufwertung bzw. Neuschaffung angrenzender Jagdhabitate (beim Verlust essenzieller Jagdlebensräume) vermeiden.
Vermeidung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos und / oder einer erheblichen Störung
Für die Fällung von Bäumen mit Quartierstrukturen ist eine Begleitung durch eine Fachkraft erforderlich. Der Umfang der Begleitung hängt von der Jahreszeit ab (Tab. 1) und reicht von einer Einweisung der Fällteams bis
zur Durchführung konkreter Maßnahmen durch die Fachkraft. Ohne nähere Begutachtung sollten Bäume mit Quartierpotenzial nur in den Zeiträumen vom 11.09. bis 31.10. (vorrangig) oder vom 16.03. bis 30.04. gefällt
werden. Ansonsten sind weiterführende Untersuchungen nötig. Sind Quartiere besetzt, bedingt dies in der Regel eine Verschiebung der Fällung. Maßnahmen zur Vermeidung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsund Verletzungsrisikos (Tab. 2) sind zu allen Zeiten erforderlich (z. B. nächtliche Fällung, sanftes Bergen der Quartierstrukturen, Einwegverschluss).
CEF-Maßnahmen
Folgende Maßnahmen eignen sich zum Erhalt der ökologischen Funktion (hier: Quartierverbund) im räumlichen Zusammenhang:
- Fledermauskästen (nur falls die betroffenen Fledermauspopulationen bereits Kästen nutzen)
- Ringeln von Bäumen zur Schaffung von Spaltenquartieren hinter abstehender Rinde
- Bohrung künstlicher Höhlen in lebende Bäume.
Maßnahmen zur Minderung der Eingriffsfolgen
Im Zusammenhang mit der Beseitigung von Fledermausquartieren eignen sich hierfür:
- Anbringung von Stammstücken mit bestehenden Quartierstrukturen an Bäumen
- Lebendverpflanzung von Quartierbäumen
- Kappen von Bäumen oberhalb von Natur- oder Bohrhöhlen (bei Absterben des Baumes)
FCS-Maßnahmen
FCS-Maßnahmen beziehen sich auf die Populationen der betroffenen Fledermausarten in der biogeografischen Region. Wo eine Zielart bereits Kästen nutzt, aber dennoch Quartiermangel besteht, eignen sich zusätzliche
Kästen. Ist eine Kastennutzung am vorgesehenen Standort nicht belegt, eignen sich die Maßnahmen „Ringeln von Bäumen“ und „Bohren von Baumhöhlen“ in Verbindung mit der Förderung von Spechten, dem Verzicht auf
Nutzung ausreichend großer, älterer Waldbereiche und waldbaulichen Maßnahmen zur dauerhaften Erhöhung des Totholzanteils. Zur Unterstützung von Populationen, die nicht durch das Quartierangebot limitiert werden,
bzw. als Ergänzung neben einer Optimierung der Quartiersituation eignen sich Maßnahmen zur Verbesserung des Nahrungsangebots (Beispiele: Anlage von Extensivweiden, Gewässern, Staudensäumen an Waldrändern,
Vernetzung von Jagdhabitaten, Förderung von Eichen).
Ergänzende forstwirtschaftliche Maßnahmen
Bei allen Maßnahmen, die künstliche oder temporäre Quartiere beinhalten (Kästen, Bohrhöhlen, Anbringung von Stammstücken etc.) sind zusätzlich ergänzende forstwirtschaftliche Maßnahmen erforderlich, um mittelund langfristig ausreichend natürliche Quartiere zu schaffen:
- Altbäume aus der Nutzung nehmen, möglichst in Gruppen
- Erhöhung der Bestandsdichte von Spechten als „Baumeister“ natürlicher Quartiere durch Anreicherung von stehendem Totholz durch Ringeln von Stämmen, Kappen von Bäumen etc.
Nur durch die Förderung von Spechten entstehen kurzfristig zusätzliche (!) Höhlen in den aus der Nutzung genommenen Bäumen.
Quelle:
ZAHN, A., HAMMER, M. & PFEIFFER, B. (2021): Vermeidungs-, CEF- und FCS-Maßnahmen für vorhabenbedingt zerstörte Fledermausbaumquartiere. Hinweisblatt der Koordinationsstellen für Fledermausschutz in Bayern, 23 S.
Download unter Aktuelles auf: https://www.tierphys.nat.fau.de/fledermausschutz/
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