Fledermaustollwut
In Deutschland gibt es etwa 25 verschiedene Fledermausarten, weltweit zählen Forscher bisher 1,200 Fledermausarten. Damit zählen sie nach den Nagetieren zu den artenreichsten Säugetieren. Aufgrund ihres Artenreichtums und ihrer besonderen Lebensweise (sehr sozial, große Gruppen, sehr mobil, weite Verbreitung, langlebig etc.), haben sich etliche andere Organismen an Fledermäuse angepasst, darunter Parasiten (Fledermausfliegen), Bakterien und Viren.
Die Fledermaustollwut wird in Europa durch 3 Virusvarianten, die European Bat Lyssaviren 1 und 2 (EBLV1 und 2) und das Bokeloh Fledermaus-Tollwutvirus (BBLV) verursacht. Diese Virenstämme sind nicht mit der Fuchstollwut (RABV) identisch.
EBLV-1 wird am häufigsten bei der Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) nachgewiesen. Einzelnachweise von EBLV-1-Infektionen sind außerdem vom Großen Abendsegler (Nyctalus noctula), der Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und dem Braunen Langohr (Plecotus auritus) bekannt. EBLV-2 hingegen ist mit Wasserfledermäusen (Myotis daubentonii) assoziiert. Auch die Teichfledermaus (Myotis dasycneme) kommt als möglicher Virusträger in Frage.
Im Jahr 2009 wurde ein bisher unbekanntes Lyssavirus, das BBLV, aus einer Fransenfledermaus (Myotis nattereri) isoliert. Europaweit erfolgten bisher zwei weitere Nachweise von BBLV, einer in Frankreich und ein weiterer in Deutschland (Bayern).
In Europa wurden im Zeitraum von 1954 bis 2013 über 1000 Fälle von Tollwut bei Fledermäusen festgestellt. Die Befunde stammen zu mehr als 90% aus Dänemark, den Niederlanden, Polen und Deutschland.
Im Rahmen der Tierseuchenüberwachung werden auffällige Tiere, besonders nach Bisskontakten, in den jeweilig zuständigen Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer auf Tollwut untersucht. Innerhalb der letzten 30 Jahre wurden so in Deutschland mehr als 1.400 Fledermaus-Verdachtsfälle abgeklärt, von denen bei über 200 Tieren Tollwut festgestellt wurde. Daneben führt das Friedrich-Loeffler-Institut zusätzlich ein Forschungsprojekt zur Fledermaustollwut in Deutschland durch.
Gesunde oder kranke Fledermaus?
Krankheitsverdächtige Fledermäuse werden häufig am Tage in der Nähe von Häusern aufgefunden. Die eigentlich nachtaktiven Tiere zeigen abnormales Verhalten wie Attackieren nahegelegener Gegenstände, Orientierungsschwierigkeiten, Krämpfe, Schluckbeschwerden sowie Lähmungserscheinungen und dadurch bedingte Flugunfähigkeit.
Was ist zu tun?
Aufgefundene Fledermäuse sollten nicht mit bloßen Händen angefasst werden. Verwenden Sie dicke Handschuhe, um das Tier in einem Karton mit kleinen Löchern sicherzustellen. Verständigen Sie eine(n) Fledermausbeauftragte(n) oder das Veterinäramt, damit das Tier gepflegt und gegebenenfalls untersucht werden kann.
Stimmungsmache der Medien
Vor Fledermaustollwut Angst zu erzeugen ist unbegründet! Fledermäuse sind bedroht und durch das Naturschutzgesetz geschützt! Sie ernähren sich hauptsächliche von Insekten und spielen eine wichtige Rolle in den Ökosystemen unserer Kulturlandschaft. Alle Europäischen Fledermausarten sind gesetzlich streng geschützt (Bundesnaturschutzgesetz §44(1) in Verbindung mit §7), da sie vielfach in ihrem Bestand stark gefährdet sind.
Grundsätzlich geht von Fledermäusen keine erhöhte Gefahr aus
Quartierbesitzer sind keinem erhöhten Risiko ausgesetzt, wenn sie keinen direkten Kontakt zu den Tieren haben oder verunglückte Tiere nur mit dicken Handschuhen aufnehmen. Auch von herabgefallenen Jungtieren, Kot oder gar winterschlafenden Tieren geht keine Gefahr aus. Im Gegenteil, Menschen die Fledermäuse in ihren Häusern Quartiere ermöglichen, unterstützen den Artenschutz und tuen etwas für die Artenvielfalt in Deutschland. Eine Zerstörung von Fledermausquartieren ist zudem ein klarer Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz.
Impfung
Da eine Lyssavirus-Infektion in der Regel eine tödlich verlaufende Erkrankung hervorruft, sollten alle Personen, die beruflich oder ehrenamtlich Umgang mit Fledermäusen haben, daher vorbeugend gegen Tollwut geimpft sein (Empfehlung der Ständigen Impfkommission, STIKO)
Die heute verfügbaren Tollwutimpfstoffe sind sehr gut verträglich und schützen zuverlässig sowohl vor einer Infektion mit dem klassischen Tollwutvirus (RABV) als auch vor den in Deutschland vorkommenden Fledermaus-Tollwutviren (EBLV-1,2 & BBLV).
Personen, die gebissen wurden, d.h. Speichel in die Blutbahn gelangen konnte, sollten die Bisswunde gründlich mit Wasser und Seife reinigen und sich umgehnd in ärztliche Behandlung begeben oder eine Tollwutberatungsstelle kontaktieren.
Quelle: Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, D-17493 Greifswald – Insel Riems
Wichtige Kontaktadressen:
Nationales und WHO Referenzzentrum für Tollwut, Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Südufer 10, D-17493 Greifswald – Insel Riems. Link: www.fli.bund.de)
Robert Koch-Institut, Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Nordufer 20, 13353 Berlin. Link: www.rki.bund.de
Liste der Veterinärämter in NRW. Link:
www.amtstieraerzte.de/adressen/untere-veterinaerbehoerden/78-veterinaeraemter-in-nordrhein-westfalen